Bild: Dominik Brülisauer
Wenn man über die Feiertage im Engadin unterwegs ist, dann begegnet man früher oder später einem Jetsetter. Das ist so sicher, wie man in Alabama auf einen weissen Rassisten trifft oder im Schlumpf-Dorf auf einen blauen Suprematisten. Per Definitionem ist ein Jetsetter jemand, der ausschliesslich mit einem Flugzeug unterwegs ist. Die Abgrenzung zu den Carsettern, Bikesettern oder Skateboardsettern ist ihnen wichtig. Jetzt kannst du sagen, dass Fliegen mittlerweile für die meisten Leute nichts Aussergewöhnliches mehr ist. Schliesslich ist es für die Generation Easyjet normal, jedes Wochenende für drei Franken fünfzig zu einem Apéro nach Ibiza, London oder New York zu fliegen, bereits im Alter von 22 Jahren die Ökobilanz eines ostdeutschen Kohlenkraftwerkes aufzuweisen und nach seinem Ableben einen ökologischen Fussabdruck in der Grösse des Chicxulub-Kraters im Norden der Halbinsel Yukatan zu hinterlassen. Das stimmt alles. Aber im Gegensatz zu uns Normalfliegern benutzt der Jetsetter keine öffentlichen Verkehrsmittel und jettet in seinem Privatjet in der Weltgeschichte herum. Das kann ich gut verstehen. Als Privatjet-Reisender muss man nie bei der Sicherheitskontrolle sein Süssgetränk ausleeren und man muss sich später in der Luft keine Filme antun, die zuvor von einem Berufspazifisten kinderfreundlich zurechtgeschnitten worden sind. Was ja brutal nervig ist. Nachdem ich letztes Jahr von Sri Lanka heimgeflogen bin und in der KLM-Maschine «The Revenant» ohne die filmentscheidende Bärenattacke anschauen durfte, habe sogar ich mir Gedanken über die Anschaffung eines Privatjets gemacht. Der Film war so weichgespült, dass ich es als wahres Wunder betrachtet habe, dass sie die Szene, in der Leonardo di Caprio von der Grizzlybärin zerfleischt wird, nicht durch eine Animation ersetzt hatten, in der Yogi-Bär dem Trapper ein Glas Bienenhonig schenkt und sie zusammen am Feuer fröhlich ein Pfadfinderlied singen. Die Jetsetter führen ein Leben abseits von Sorgen, Langeweile und Existenzängsten. Sie treffen sich nicht in Oberwil bei Büren zur Kirschenernte oder im Lötschental zum Tschäggätta schauen. No Way. Die Jetsetter treffen sich regelmässig an den exklusivsten Orten der Welt um den exklusivsten Zeitvertreiben nachzugehen. Auf den Bahamas lässt sich der Jetsetter Fett aus seinem Arsch absaugen und in seine Lippen spritzen. Danach kuriert er ein paar Tage auf seiner Yacht. Lässig an die goldige Reling gestützt lacht er die armen Schlucker aus, deren Boote zu klein sind, als dass sie mit ihrem Privatjet drauf landen könnten und die deshalb wie der gemeine Pöbel in Nassau auf dem internationalen Flughafen landen müssen.
Später trifft man sich an der Côte d’Azur und flaniert auf den Spuren von Grace Kelly, Brigitte Bardot oder Marlon Brando. Dabei trauert man den goldenen 50er-Jahren nach und sinniert darüber, dass die Französische Riviera damals noch Stil und Eleganz hatte. Gleichzeitig schüttet man sich mit Rosé zu, bewirft sich mit Jakobsmuscheln, erbricht über seine Crocks auf den Bistroboden und betrügt das Servicepersonal um das Trinkgeld. Und schon geht es weiter nach Italien. In Portofino geniesst man eine Pizza Frutti di Mare à la Schickeria. Diese ist ausschliesslich mit Perlen bestückt – nicht, weil das besonders gut schmeckt, sondern weil man es sich leisten kann. Für das gute Gewissen macht man dann noch einen kleinen Abstecher nach Griechenland. Auf Mykonos wirft man von seiner Yacht aus den hungrigen Flüchtlingen ein paar Hummer ins Boot und zelebriert die internationale Solidarität unter den Boatpeople. Bei Gelegenheit lässt man sich noch medienwirksam mit einem kleinen Flüchtlingskind ablichten. Natürlich nur, wenn es grosse herzige traurige Augen hat und noch nicht vor lauter Schicksalsschlägen zu abgelöscht in die Linse starrt. Man möchte mit seinen Bildern ja nicht seinen Freunde auf Asmallworld.com die Partylaune versauen. Zusammengefasst kann man sagen, dass sich der Jetsetter an Orten mit folgenden meteorologischen Bedingungen am wohlsten fühlt: Viel Sonnenschein mit Champagnerklima und gelegentlichem Geldregen. Und die Orte sollten fantastischer sein als Atlantis, Gondor und Narnia zusammengezählt. Wenn James Bond noch nie da war, ist er nicht mondän genug. Im Dezember landet der Jetsetter zum grossen Finale schliesslich im exquisitesten aller Orte – im Engadin. Jeder Jetsetter, der etwas auf sich hält, besitzt eine Datscha in Russland, ein Haus in Beverly Hills, eine Finca auf Formentera, ein Blockhaus in Kanada, ein Iglu in Grönland, ein Beduinenzelt in Libyen und eine Villa in St. Moritz. Und falls jemand kein eigenes Zuhause im Engadin hat, bieten ihm unsere Fünfsterne-Notschlafstellen wie das Hotel Waldhaus, das Grand Hotel Kronenhof oder das Badrutt’s Palace Hotel eine artgerechte Haltung. In diesen Häusern wird der Kunde nicht nur behandelt wie ein König, normalerweise ist er sogar einer – oder zumindest Präsident, Baron, Scheich, Wirtschaftsmagnat, Oligarch, Mafiaboss oder ganz einfach ein Erbempfänger.
Die Festtage wären nicht die Festtage, wenn man während dieser Zeit nicht anständig die Sau rauslassen würde. Die Boutiquen in St. Moritz werden von kaufgeilen Jetsettern regelrecht überrannt. Edelsteine in der Grösse von Hühnereiern werden über die Ladentheke gehievt, Uhren mit dem Goldgehalt eines myanmarischen Tempels mit dem Schwertransporter in den Hoteltresor verschoben und während den Kunstvernissagen Zigarren im Wert eines Einfamilienhauses verqualmt. Bei einem wahren Jetsetter bedeutet das Kartenlimit nicht, wie viel Geld er pro Monat verbrennen darf, sondern wie viele Male pro Tag er sie durch ein Gerät ziehen kann, ohne dass diese verglüht. Aus diesem Grund besteht eine Kreditkarte eines Jetsetters nicht aus Plastik, sondern aus reinstem Titan. Der Schmelzpunkt liegt hier übrigens bei 1668 °C. Befeuert wird die ganze Orgie mit dem exzessiven Konsum von bestem Champagner, exklusivstem Kaviar und reinstem Kokain. Um dir eine Vorstellung davon zu machen, wie viel Kokain in dieser Zeit im Engadin verpulvert wird, kann ich dir sagen, dass man es in der Kläranlage Celerina im Abwasser nachweisen kann. Der Kokaingehalt ist so hoch, dass die Celeriner das Abwasser bald in Dosen abfüllen und als Energydrink verkaufen werden. Als mögliche Markennamen stehen momentan Ova-da-Naiv, Batida-de-Coka und White-Bull zur Diskussion – aber der Gemeindeversammlung wird bestimmt noch etwas Kreativeres einfallen. Dass sich der Jetsetter im Engadin so wohl fühlt, ist natürlich kein Zufall. Wir gehen auf die Wünsche unserer Gäste ein und verbessern unser Angebot von Jahr zu Jahr. Das Tiefbauamt St. Moritz möchte zum Beispiel ab dem nächsten Winter kein Salz mehr auf die Strassen streuen, schliesslich machen das schon alle anderen Gemeinden. Man wird auf das viel teurere Safran umsteigen. Verkehrssicherheitstechnisch bringt das zwar nicht viel. Aber der Beweis, dass wir hier oben anders ticken, wird einmal mehr erbracht. Selbstverständlich werden die Jetsetter von den Einheimischen auch jedes Jahr mit offenen Armen begrüsst. Dank ihnen müssen wir selber keine weiten Reisen und Safaris unternehmen, um gefährdetet Tierarten zu sehen. Dank dem Jetsetter wandeln Tiere wie Nerze, Chinchillas und Rotfüchse in Form von Pelzmänteln durch die Strassen. So verarbeitet geht von diesen Tieren auch keine Gefahr mehr aus und man muss sie nicht mehr füttern. Und wenn man den Jetsetter nett fragt, darf man sein Fell auch streicheln. Der Jetsetter ist aber auch sonst äusserst tierlieb. Das beweist er jeden Winter, wenn er auf dem gefrorenen St. Moritzersee ganz euphorisch die Pferderennen besucht. Würden wir endlich damit beginnen, im Sommer Seepferdchenrennen zu organisieren, könnten wir dieses finanzstarke Klientel auch in dieser Saison vermehrt zu uns locken. Wir sollten mal darüber nachdenken.
Später trifft man sich an der Côte d’Azur und flaniert auf den Spuren von Grace Kelly, Brigitte Bardot oder Marlon Brando. Dabei trauert man den goldenen 50er-Jahren nach und sinniert darüber, dass die Französische Riviera damals noch Stil und Eleganz hatte. Gleichzeitig schüttet man sich mit Rosé zu, bewirft sich mit Jakobsmuscheln, erbricht über seine Crocks auf den Bistroboden und betrügt das Servicepersonal um das Trinkgeld. Und schon geht es weiter nach Italien. In Portofino geniesst man eine Pizza Frutti di Mare à la Schickeria. Diese ist ausschliesslich mit Perlen bestückt – nicht, weil das besonders gut schmeckt, sondern weil man es sich leisten kann. Für das gute Gewissen macht man dann noch einen kleinen Abstecher nach Griechenland. Auf Mykonos wirft man von seiner Yacht aus den hungrigen Flüchtlingen ein paar Hummer ins Boot und zelebriert die internationale Solidarität unter den Boatpeople. Bei Gelegenheit lässt man sich noch medienwirksam mit einem kleinen Flüchtlingskind ablichten. Natürlich nur, wenn es grosse herzige traurige Augen hat und noch nicht vor lauter Schicksalsschlägen zu abgelöscht in die Linse starrt. Man möchte mit seinen Bildern ja nicht seinen Freunde auf Asmallworld.com die Partylaune versauen. Zusammengefasst kann man sagen, dass sich der Jetsetter an Orten mit folgenden meteorologischen Bedingungen am wohlsten fühlt: Viel Sonnenschein mit Champagnerklima und gelegentlichem Geldregen. Und die Orte sollten fantastischer sein als Atlantis, Gondor und Narnia zusammengezählt. Wenn James Bond noch nie da war, ist er nicht mondän genug. Im Dezember landet der Jetsetter zum grossen Finale schliesslich im exquisitesten aller Orte – im Engadin. Jeder Jetsetter, der etwas auf sich hält, besitzt eine Datscha in Russland, ein Haus in Beverly Hills, eine Finca auf Formentera, ein Blockhaus in Kanada, ein Iglu in Grönland, ein Beduinenzelt in Libyen und eine Villa in St. Moritz. Und falls jemand kein eigenes Zuhause im Engadin hat, bieten ihm unsere Fünfsterne-Notschlafstellen wie das Hotel Waldhaus, das Grand Hotel Kronenhof oder das Badrutt’s Palace Hotel eine artgerechte Haltung. In diesen Häusern wird der Kunde nicht nur behandelt wie ein König, normalerweise ist er sogar einer – oder zumindest Präsident, Baron, Scheich, Wirtschaftsmagnat, Oligarch, Mafiaboss oder ganz einfach ein Erbempfänger.
Die Festtage wären nicht die Festtage, wenn man während dieser Zeit nicht anständig die Sau rauslassen würde. Die Boutiquen in St. Moritz werden von kaufgeilen Jetsettern regelrecht überrannt. Edelsteine in der Grösse von Hühnereiern werden über die Ladentheke gehievt, Uhren mit dem Goldgehalt eines myanmarischen Tempels mit dem Schwertransporter in den Hoteltresor verschoben und während den Kunstvernissagen Zigarren im Wert eines Einfamilienhauses verqualmt. Bei einem wahren Jetsetter bedeutet das Kartenlimit nicht, wie viel Geld er pro Monat verbrennen darf, sondern wie viele Male pro Tag er sie durch ein Gerät ziehen kann, ohne dass diese verglüht. Aus diesem Grund besteht eine Kreditkarte eines Jetsetters nicht aus Plastik, sondern aus reinstem Titan. Der Schmelzpunkt liegt hier übrigens bei 1668 °C. Befeuert wird die ganze Orgie mit dem exzessiven Konsum von bestem Champagner, exklusivstem Kaviar und reinstem Kokain. Um dir eine Vorstellung davon zu machen, wie viel Kokain in dieser Zeit im Engadin verpulvert wird, kann ich dir sagen, dass man es in der Kläranlage Celerina im Abwasser nachweisen kann. Der Kokaingehalt ist so hoch, dass die Celeriner das Abwasser bald in Dosen abfüllen und als Energydrink verkaufen werden. Als mögliche Markennamen stehen momentan Ova-da-Naiv, Batida-de-Coka und White-Bull zur Diskussion – aber der Gemeindeversammlung wird bestimmt noch etwas Kreativeres einfallen. Dass sich der Jetsetter im Engadin so wohl fühlt, ist natürlich kein Zufall. Wir gehen auf die Wünsche unserer Gäste ein und verbessern unser Angebot von Jahr zu Jahr. Das Tiefbauamt St. Moritz möchte zum Beispiel ab dem nächsten Winter kein Salz mehr auf die Strassen streuen, schliesslich machen das schon alle anderen Gemeinden. Man wird auf das viel teurere Safran umsteigen. Verkehrssicherheitstechnisch bringt das zwar nicht viel. Aber der Beweis, dass wir hier oben anders ticken, wird einmal mehr erbracht. Selbstverständlich werden die Jetsetter von den Einheimischen auch jedes Jahr mit offenen Armen begrüsst. Dank ihnen müssen wir selber keine weiten Reisen und Safaris unternehmen, um gefährdetet Tierarten zu sehen. Dank dem Jetsetter wandeln Tiere wie Nerze, Chinchillas und Rotfüchse in Form von Pelzmänteln durch die Strassen. So verarbeitet geht von diesen Tieren auch keine Gefahr mehr aus und man muss sie nicht mehr füttern. Und wenn man den Jetsetter nett fragt, darf man sein Fell auch streicheln. Der Jetsetter ist aber auch sonst äusserst tierlieb. Das beweist er jeden Winter, wenn er auf dem gefrorenen St. Moritzersee ganz euphorisch die Pferderennen besucht. Würden wir endlich damit beginnen, im Sommer Seepferdchenrennen zu organisieren, könnten wir dieses finanzstarke Klientel auch in dieser Saison vermehrt zu uns locken. Wir sollten mal darüber nachdenken.
Dominik Brülisauer
Dominik Brülisauer ist 1977 geboren und in Pontresina aufgewachsen. An der ZHDK in Zürich hat er Theorie für Kunst, Medien und Design studiert. Momentan arbeitet er als Werbetexter, Kolumnist und Schriftsteller in Zürich. Die Bücher «Schallwellenreiter», «Der wahre Liebeslebensratgeber» und «Leben kann jeder» sind im Handel erhältlich. Er besucht das Engadin heute noch regelmässig um im Pöstli Bier zu trinken, auf der Diavolezza zu Snowboarden und um seiner Mutter seine Wäsche abzugeben.
facebook.com/dominikbruelisauer
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