Grüsse aus dem Tessin! Bild: Carla Sabato
Autostopp! Dem begeisterten Vorschlag meiner Begleiterin konnte ich erstmal nicht viel abgewinnen. Ehrlich gesagt verband ich das Thema immer mit unheimlichen Fällen der Sendung Aktenzeichen xy ungelöst, die mich nachts nicht mehr einschlafen liessen. Fälle mit Vergewaltigungen und jungen Frauen die einstiegen und nie mehr gesehen wurden.
Auf die Frage, ob sie denn überhaupt schon einmal Autos gestoppt hatte, zuckte sie nur die Achseln: „Also in Finnland hat es bisher immer geklappt.“
Na dann. Angesichts unseres Wander-Vorhabens im Tessin, welches innerhalb eines Tages beendet sein sollte und den üblichen Wartezeiten nachdem man ein Postauto in eine entlegene Region verpasst hat, liess ich mich trotzdem dazu überreden, den Daumen rauszuhalten. Auf einem Mini-Block einer gewissen Firma „Gammeter-Druck“ (welcher sich zufällig in meinem Rucksack befand) hatten wir unsere Destination geschrieben, und hielten sie nun den Autofahrern unter die Nase. Im Gegenzug beehrten uns diese mit unverständlichen Gesten: Zeigefinger nach vorne, Zeigefinger nach unten, wahlweise auch lachende Gesichter oder zuckende Achseln. Während ich für die nächsten Stunden am liebsten einfach an der Bushaltestelle gewartet hätte, wurde meine Begleiterin immer motivierter. Und tatsächlich kam plötzlich ein kleines Auto aus der anderen Richtung angebraust und hielt an.
Ein kleiner lachender Mann kam herausgehüpft und rief uns etwas auf italienisch zu. Blöd nur, dass ausser meinem Namen gar nichts an mir italienisch konnte (ausser Pastagerichte). Meine Begleiterin hatte Latein im Angebot. Der kleine Mann sprach weiter, und räumte eifrig zwei Plätze in seinem winzigen Auto frei. Dies nahmen wir als Mitnahme-Angebot an, zeigten ihm unseren Block mit der Destination und stiegen ein, die Knie bis zur Nase hochgezogen, dazwischen die Rucksäcke. So ratterten wir durch enge und kurvige Strässchen, während wir mit Händen und Füssen versuchten unsere Wanderroute zu erklären. Unser kleiner gut gelaunter Fahrer erzählte uns sämtliche Namen der umliegenden Berge, sprach über das Wetter, und erzählte von seinen eigenen Wanderungen. So glaube ich zumindest. Auf einmal erschienen zwei Frauen auf der Strasse, er deutete aufgeregt auf sie und meinte: „Genau wie ihr, genau wie ihr!“ Wir prusteten los, dass das Auto wackelte und die Luft noch stickiger wurde. Als wir schliesslich im abgelegenen Örtchen Olivone ankamen, drückte er uns seine Handynummer und einen Apfel in die Hände und verabschiedete sich äusserst begeistert von uns, bis er wieder in sein Auto einstieg und davonbrauste.
Als wir nach unserer Wanderung wieder in Richtung Biasca unterwegs und prompt wieder ein Postauto verpasst hatten, entschieden wir uns wieder für Autostopp. Diesmal nahm uns eine stille junge Frau mit Kind mit - aber irgendetwas fehlte bei dieser Fahrt...
Abends schickten wir unserem kleinen Fahrer ein Dankes-SMS. Google Translate lieferte uns freundlicherweise seine Antwort darauf: „Ihr wart sehr nett und sehr schön.“
Carla Sabato
Carla Sabato ist Studentin, ehemalige Praktikantin bei der Engadiner Post, Hobbyfotografin (liebend gerne in der Dunkelkammer), stolze Vegetarierin, Yoga-Praktizierende, Verfechterin gemässigter Klimazonen, Frühaufsteherin, Hundehalterin, Pragmatikerin, schwarze Rollkragenpullover Trägerin, Teilzeit Existentialistin, Raus-aber-richtig-Frau, schlechte Autolenkerin und Möchtegern-Vancouverite.
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