Und so sieht sie aus, die Handschrift. Bild: Carla Sabato
Handschriften sind wunderschön. Ob rund, eckig, spitz, schräg, gerade, altmodisch, ärzte-mässig, farbig, leserlich oder unleserlich. Sie sind Ausdruck einer einzigartigen Person. Man könnte den ganzen Sachverhalt auch poetisch ausdrücken: Wenn die Augen das Fenster zur Seele sind, dann ist die Handschrift… das Erscheinungsbild der Seele? Oder das Outfit? Schliesslich kann sie sich auch verändern. Jemand meinte einmal zu mir, dass meine Schrift sicher ganz rund aussehe und vorzugsweise in rosa geschrieben wird. Weit gefehlt (siehe Bild oben). Bis ich zu meiner jetzigen Handschrift kam, vergingen einige Jahre. Sie waren geprägt von einer Selbstfindungsphase, bis sich schliesslich die Hand ganz automatisch um den Stift schloss, sich dieser angenehm auf dem Blatt bewegte und ich mit Verzückung das Erscheinungsbild betrachtete (und immer noch tue). Gnädige Beobachter beschreiben meine Schrift als schwierig zu lesen, aber schön. Jedenfalls hat sie die Medienspeicher meiner WhatsApp-Chats deutlich vergrössert und neugierige Abschreiber zermürbt. Mit furchtbar schlechtem Gewissen denke ich an meine Französischlehrerin zurück, die mich dazu brachte, meine Schrift in Kreise und rechte Winkel zu zwängen, weil sie sonst sämtliche Wörter als falsch markierte die sie nicht lesen konnte. Dies liess meine Noten rasant in den Keller rauschen - die Alternative fühlte sich aber fast an, als würde ich mich selbst verleugnen.
Seit mehreren Jahren hatte niemand mehr etwas auszusetzen. Ausser der neugierige Passant, welcher mir zu Praktikumszeiten bei der EP/PL während eines Auftrags über die Schulter schaute und die Schrift als «Journalisten-Saukralle» bezeichnete. Neuerdings erhalte ich pünktlich jeden Montagabend eine düstere Prophezeiung. Diese lautet, dass meine furchtbare Handschrift und die dazu passende Darstellung der Grund sein werden, weshalb ich bei der Prüfung eines Sprachdiploms scheitern werde. Bei solchen Gelegenheiten frage ich mich oft, ob Menschen die so offensichtlich die Handschrift von anderen kritisieren, wohl auch so offenherzig wären wenn es um Charaktereigenschaften oder Aussehen ginge?
Nach mehreren Wochen wurde ich der demotivierenden Voraussage müde und fand mich um Mitternacht vor dem Kontaktformular des Diplom-Veranstalters wieder. Ja, um tatsächlich ein offizielles Statement zum Thema Handschriften einzuholen. Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte.
Nebst all den Rechtfertigungen und Aufwendungen die sich in solchen Situationen ergeben, gibt es trotzdem immer jemanden, der sich über mein Engagement freut: Die Handschrift. Sie lässt sich auf keinen Fall zähmen und räumt auch nicht das Feld für eine Computertastatur. Schliesslich gehört sie zu mir und wir bleiben zusammen - für immer.
Carla Sabato
Carla Sabato ist Studentin, ehemalige Praktikantin bei der Engadiner Post, Hobbyfotografin (liebend gerne in der Dunkelkammer), stolze Vegetarierin, Yoga-Praktizierende, Verfechterin gemässigter Klimazonen, Frühaufsteherin, Hundehalterin, Pragmatikerin, schwarze Rollkragenpullover Trägerin, Teilzeit Existentialistin, Raus-aber-richtig-Frau, schlechte Autolenkerin und Möchtegern-Vancouverite.
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