Die obigen beiden Werke dürfen in einer bestimmten Sorte von Büro auf keinen Fall fehlen. Bild: Carla Sabato
Ein Germanistik-Studium wartet mit einigen Vorurteilen auf. Angefangen bei Berufsmöglichkeiten (nein, nicht zwangsläufig Lehrer) über dem Workload (Germanistik wird von nicht-Germanisten gerne als das Studium mit dem kleinsten Aufwand schlechthin propagiert) bis hin zum Inhalt (der selbst von Mitstudenten gerne falsch verstanden wird: «Was, wenn du nur Linguistik im Nebenfach belegt hast, beschäftigst du dich wirklich nicht mit Literatur?»). Wenn es aber zu den Individuen dieses Studiums kommt, bewahrheiten sich einige Vorurteile allerdings doch. Ich kann an dieser Stelle nicht mit einer Definition aufwarten, aber irgendwie gibt es ihn doch, diesen Stereotypen des Germanisten und seiner Umgebung, die beide irgendwie anders sind. Nachfolgend einige Beispiele um das Ganze zu illustrieren. Meine allererste Vorlesung in diesem Fach fing damit an, dass der Professor kurz vor knapp ins Zimmer eilte, mit Unmengen von Blättern in den Armen, zerknittertem Hemd und wirrem Haar. Manchmal vergass er auch die Vorlesungszeiten oder wirkte grundsätzlich abwesend - er erklärte dies damit, dass er sich nicht sicher war, ob das Bügeleisen wirklich abgeschaltet war oder munter zu Hause vor sich hinbrutzelte. Er war ein fantastischer Dozent, das war nicht die Frage - aber doch etwas anders als die geschniegelten Herren der Policy Analyse oder den Internationalen Beziehungen. Ein weiterer Dozent zeichnete sich durch seine steten Germanisten-Witze aus, welche niemand so recht lustig fand. Zum Beispiel: «Englisch ist keine germanische Sprache!» Ich frage mich bis heute, weshalb man darüber lachen kann - er konnte es jedenfalls. Vielleicht braucht es dazu einfach einen Blick hinter die Kulissen, in ein Büro. Kürzlich war ich in einem solchen zu Besuch. Hinter der Glastür befand sich ein riesiges Chaos. Zwei Schreibtische, ein Sofa und auf beiden Seiten des Zimmers jeweils ein riesiges Regal mit Nachschlagewerken nahmen einen Grossteil des Platzes weg. Dazwischen gab es einen Kühlschrank, eine Kaffee-Maschine, diverse Tassen in allen Farben und Formen, Zahnbürsten, Vogelfutter, Linguisten-Memes, angebrochene Verpackungen mit Keksen und einen Stapel Tupperwaredosen. In der Luft lag der unverkennbare Geruch, dass hier vor kurzem jemand sein von zu Hause mitgebrachtes Essen verspeist hatte. Aus all den Dingen blickten uns die Augen der Dozentin an, die sich so gut an ihren Hintergrund angepasst hatte, dass man sie beinahe übersah. An den Füssen blaue Samtstiefel, einen schwarzen Plisseerock, einen flauschigen Pullover, darüber eine blaue Samt-Daunenjacke und grellpinken Lidschatten. Sie wies uns an, irgendwo Platz zu nehmen, was wir mit äusserster Vorsicht taten, schliesslich sass bereits ein Plüschpferd auf dem Sofa, welches uns als Maskottchen vorgestellt wurde. Während unserer Besprechung ging immer wieder die Tür auf. Als erstes kam eine Frau hinein, welche wortlos ein Croissant auf den Schreibtisch legte und wieder ging. Danach war es ein junger Mann im rosafarbenen Regenmantel, der uns viel Spass wünschte. Jedenfalls nehme ich diese Begebenheit zum Anlass, Ihnen an dieser Stelle einen erfolgreichen und vorurteilslosen Start ins Jahr 2019 zu wünschen. Möge das kommende Jahr im Zeichen dieses Büros stehen und sich ein klein wenig anders abspielen als die Jahre davor. Im positiven Sinne natürlich.
Carla Sabato
Carla Sabato ist Studentin, ehemalige Praktikantin bei der Engadiner Post, Hobbyfotografin (liebend gerne in der Dunkelkammer), stolze Vegetarierin, Yoga-Praktizierende, Verfechterin gemässigter Klimazonen, Frühaufsteherin, Hundehalterin, Pragmatikerin, schwarze Rollkragenpullover Trägerin, Teilzeit Existentialistin, Raus-aber-richtig-Frau, schlechte Autolenkerin und Möchtegern-Vancouverite.
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