Kampf gegen Staub und Schmutz: Devendra lässt unser Auto glänzen. Foto: Ruth Bossart
Seit ich nach Indien gezogen bin, habe ich mehrere Hausangestellte: einen Autowascher, einen Fensterputzer, einen Gärtner für meine Zimmerpflanzen, einen Abfallsack-Abholer, eine Altpapierbündlerin, einen persönlichen Shopping-Lieferanten und seit neustem auch eine Putzfrau, die für Staub zuständig ist ab 1 Meter 80 über Boden, eine sogenannte Upper-Cleanerin, die wagemutig Trittleitern besteigt und Schränke, obere Büchergestelltablare oder Küchenkästchen abstaubt.
Rama ist jung, behände und schnell. Angeheuert hat sie meine Putzhilfe Renuka. Renuka ist die einzige, die ich wirklich gesucht habe und die einen Arbeitsvertrag hat: eine zuverlässige Frau, die die Wohnung immer wieder zum Strahlen bringt.
Renuka ist effizient und erfahren. Dennoch empfahl sie mir, Rama, die Upper-Cleanerin, anzustellen. «Wissen Sie», sagte sie, «Rama muss Geld verdienen, sie hat ein Kind.» Jeden Freitag ist nun Upper-Cleanig-Tag. Kostenpunkt: umgerechnet 15 Franken im Monat. Auch die Schiebefenster putzt Renuka nicht mehr selber. Aber nicht etwa, weil sie zu faul ist. Kapil erledigt das nun, weil er – wie sie sich ausdrückt – «auch Arbeit braucht.» Alle zwei Wochen fegt er seither für je zwölf Franken das hinterste Staubkorn von den Scheiben.
Ein paar Wochen später stiess auch noch ein Auto-Wascher zu unseren «Angestellten». Deepak, der Hauswart, vermittelte ihn und versprach tägliche Aussen- und Innenreinigungen für umgerechnet zehn Franken im Monat. Zunächst versuchte ich mich zu wehren. Einen Autowascher brauche ich wirklich nicht. Erstaunt, aber sehr bestimmt liess mich der Hauswart wissen, dass Ablehnen unmöglich sei: «Wissen Sie, Devendra hat eine Familie.»
Effizient ist das auf keinen Fall. Diese Arrangements kosten nicht nur Nerven und Geduld sondern insgesamt auch rund hundert Franken pro Monat. Nicht eingerechnet sind da die weiteren ad-hoc Leistungen, die man im indischen Alltag mehr oder weniger charmant aufgedrängt bekommt wie Einpacken im Supermarkt oder Park-Ticket aus dem Automatenschlitz fischen.
Zunächst glaubte ich, dass man mich als Schweizerin mit einem wandelnden Bankomat verwechselt hat, und das hat mich geärgert. Inzwischen weiss ich es besser: Es geht bei diesen Anstellungen weder um besonderes Können, Kosteneinsparungen oder Effizienz, noch besteht die Absicht, Ausländer über den Tisch zu ziehen. Es ist simpler: das ist Arbeits-Teilung – im ursprünglichsten Sinnes des Wortes. Man könnte es auch soziale Verantwortung nennen.
Ruth Bossart
Ruth Bossart ist Historikerin und lebt mit ihrem Mann und Sohn Samuel seit diesem Frühjahr in Bern. Zuvor berichtete sie für das Schweizer Fernsehen aus Indien. Laufen, Ski- und Velofahren gelernt hat Samuel in Pontresina und Zuoz, bevor die Familie 2010 nach Singapur und später in die Türkei zog. Jedes Jahr verbringen die Drei aber immer noch mehrere Wochen im Engadin – nun nicht mehr als Einheimische, sondern als Touristen.
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