So sieht der Klimastreik von hinten aus. Bild: Carla Sabato
Einige Male schon habe ich die lange farbige Schlange gesehen und Flyer oder Aufkleber in der Hand gehabt. Ende Mai war ich selbst dabei: Am Klimastreik. Als ich in den Zug stieg und nach Bern fuhr, um mit einer Freundin zusammen hinzugehen kam ich mir vor, als wäre ich auf einer ganz besonderen Mission. Am Bahnhof angekommen wurde mir ein Plakat in die Hand gedrückt, dann ging es los zum Treffpunkt. Dort besammelten sich die unterschiedlichsten Menschen mit den ausgefallensten Plakaten: Familien mit Babys, Gruppen von Teenagern, eine alte Frau im Rollator. Vom Bienensterben zu den billigen Flugpreisen zu weinenden Eisbären und brennenden Erdkugeln. Ab und zu erhaschte man auch einen Blick auf violette Plakate zum Frauenstreik oder schwarze Anti-Kapitalismus-Werbung. Nach mehreren Reden zu Öko-Feminismus und der Wasserknappheit in El Salvador werden die Forderungen verkündet: Etwas unkonkret, sodass ich sie nicht im Ganzen wiedergeben kann - die Verantwortlichen sollen mehr Verantwortung übernehmen und bis 2000undetwas nur noch so viel CO2 ausgestossen werden wie von der Natur absorbiert werden kann. Aber die Bewegung dient vielleicht auch eher dazu, das Thema in aller Munde und Köpfe zu bringen? Dafür gings danach gleich auf die Strasse, getreu dem Motto: „wir sind laut, fröhlich, freundlich und farbig!“. Es geht also quer durch die Stadt Bern. Sobald ich im Strom bin, ist meine Orientierung verloren. Als kleiner Mensch sehe ich nur bis zu den Schultern der meisten anderen und habe keine Ahnung wie gross der Umzug eigentlich gerade ist. Dafür treffe ich unterwegs unerwartet einige Familienmitglieder und Bekannte, während bereits nach zwanzig Minuten der Arm lahm vom Plakat-Halten und die Stimme heiser von den vielen Parolen wird. Was weimer? Klimagrächtigkeit! Wenn weimers? itze! Ufe mit de Klimaziu, abe mitem CO2! On est plus chaud, plus chaud que le clima! Und noch einige andere Dinge die ich leider ab und zu durcheinanderbringe. Auf den Seiten finden sich überall unbewegliche Zuschauer, die das Ganze filmen, davon sind auch viele chinesische Touristen - etwas gruselig ist das schon, so beobachtet zu werden. Sobald eine grosse Gruppe Gaffer auftaucht ruft die Menge: „Solidarisiere!“ In den Pausen zwischen den Parolen unterhalten wir uns und tauschen Neuigkeiten aus. Sobald wieder ein Ruf angestimmt wird, erfasst mich aber ein seltsames Gefühl - als ob zu viel Luft im Bauch wäre, die die Tränen in die Augen steigen lässt. So ist das wohl, wenn man Teil einer kollektiven Mobilisierung ist, wie man im politikwissenschaftlichen Jargon so schön sagt. Nach einer Stunde Marsch in der Sonne löst sich die Bewegung am Treffpunkt wieder auf und ich bin Fix und Foxy. Wir schlurfen nach Hause, während mir die Parolen wie Ohrwürmer noch Stunden danach durch den Kopf laufen und sich Spruchideen für zukünftige Plakate sammeln. Ja, ein Teil ist das Coolsein, dabei mitzumachen. Ein anderer ist der Luxus, sich im Alltag Gedanken über weniger CO2 Ausstoss oder weniger Plastik machen zu können - und daran Gefallen zu finden.
Carla Sabato
Carla Sabato ist Studentin, ehemalige Praktikantin bei der Engadiner Post, Hobbyfotografin (liebend gerne in der Dunkelkammer), stolze Vegetarierin, Yoga-Praktizierende, Verfechterin gemässigter Klimazonen, Frühaufsteherin, Hundehalterin, Pragmatikerin, schwarze Rollkragenpullover Trägerin, Teilzeit Existentialistin, Raus-aber-richtig-Frau, schlechte Autolenkerin und Möchtegern-Vancouverite.
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