Mittlerweile weiss man ja, dass regelmässige Bewegung unglaublich viele Vorteile bringt. Die Minuten oder Stunden, die investiert werden, schütten Glückhormone aus, lassen Pfunde purzeln und beugen einer Vielzahl Erkrankungen vor. Die Frage, die ich mir allerdings immer wieder stelle ist, warum die einen das mit der Bewegung schaffen und die anderen Bewegung als etwas gänzlich Glanzloses betrachten, als sei es menschenunwürdig, sich in engen Laufhosen schwitzenderweise an anderen Menschen vorbei um den See zu quälen. Ja, da kann man den Spott schon hören, ich weiss. Das Lästern ist ein Grundprodukt menschlichen Verhaltens. Lieber über die anderen reden, als sich selbst zu hinterfragen. Im Endeffekt sind aber die, die sich getraut haben, ihren zweibeinigen Körper wie ein Tier auf der Jagd zu verausgaben, die Gewinner. Denn es lockt ein herrlicher, stimmungsaufhellender Cocktail aus der körpereigenen Drogenfabrik. Man kann behaupten, dass das süchtig macht. Ich glaube aber, dass diese Sucht auch körpergewollt ist. Jetzt kommt natürlich die Frage nach dem Huhn und dem Ei: Produziert jetzt der Körper die Glückstoffe, die mich antreiben, weiterzulaufen (um nicht gefressen zu werden) oder animiert mich mein bewusster Verstand dazu weiterzulaufen (um nicht gefressen zu werden). Letztlich ist es auch egal, wer der Antreiber ist, Hauptsache, ich werde nicht gefressen. So war das ja früher, als wir noch alle in Höhlen lebten und als Jägerinnen, Jäger, Sammlerinnen und Sammler durch die Wälder zogen. Ich glaube nicht, dass man die Bewegung damals hinterfragt hat. Wer sich nicht bewegen wollte (Thema «Innerer Schweinehund» «Chillen auf den Coach, äh, vielleicht eher «Chillen im Moos»), der hatte wohl nicht viel Handlungsspielraum. Früher sind die «Menschen» noch bis zu 40 Kilometer täglich gewandert; heute sind es nur noch ca. 0,8 Kilometer! Wir sind faul, träge und bequem geworden und klammern uns an die Gewohnheit, dem Körper durch Essen und Bewegungsmangel etwas Gutes zu tun. Wir bestellen lieber alles im grossen Weltennetz, als die Welten auf zwei Beinen zu vernetzen. Die Persönlichkeit und die Frage nach den Motiven spielen beim Bewegungsverhalten eine grosse Rolle. Um neue Gewohnheiten zu erlernen, braucht man folgendes Rezept: ein Motiv, etwas Begeisterung und obendrauf noch etwas Zeit zum Üben. Und jetzt kommt mein Appell zum Jahresende: Wer wirklich etwas ändern will, braucht den Willen, es in die Tat umsetzen zu wollen. Die Selbstwirksamkeit tritt hier in den Vordergrund. Damit man ein Ziel erreichen kann, ist Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sehr entscheidend. Um aus alten Gewohnheiten herauszukommen, muss das gewünschte neue Verhalten mit einem deutlichen Auslösereiz gekoppelt sein und dann durch Belohnung verstärkt werden. Das Zauberwort heisst «Konditionierung. Läufer und alle, die es werden wollen, können sich die Laufschuhe direkt neben das Bett stellen. Gleich nach dem Aufstehen springt man rein und läuft los. Ziel dabei ist es, dass das Gehirn das Aufstehen und Sehen der Laufschuhe direkt mit dem Joggen verknüpft. Mit der Zeit wird dieses Verhalten automatisiert. Und mit der richtigen Belohnung wird das neue Verhalten positiv verknüpft. Das Anziehen der Laufschuhe als solches kann mit der Zeit schon ein gutes Gefühl auslösen. Und fragt man Laufbegeisterte (egal welchen Alters und Geschlechtes), warum sie laufen, kommt in überdurchschnittlich vielen Fällen die gleiche Antwort: Weil es mir danach besser geht. Erschrecken Sie dann bitte nicht, wenn die Bewegung plötzlich zur Gewohnheit geworden ist und sich Prioritäten verschoben haben. Das Gefühl, die Laufrunde geschafft zu haben, gibt für den Rest des Tages (oder der Woche) ein berauschendes Gefühl der Glückseligkeit. Und jetzt raus mit Euch!
Anne-Marie Flammersfeld
Anne-Marie Flammersfeld ist Diplom-Sportwissenschaftlerin, Personal Trainerin und hat einen BSc. in Psychologie. Sie hält einige sportliche Rekorde. So konnte sie 2012 als erste Frau der Welt alle vier Rennen der «Racing the Planet 4 Deserts Serie» gewinnen und lief 1000 Kilometer durch die vier grössten Wüste der Welt. Sie ist in 8h32 auf den Kilimanjaro gelaufen und konnte den damaligen Weltrekord um gute drei Stunden verbessern. Am Nordpol war sie auch und ihr Streckenrekord steht immer noch bereit, um eingeholt zu werden. Die 1978 geborene deutsche Sportlerin arbeitet mit ihrem Unternehmen all mountain fitness in St. Moritz und dem Engadin. Als Personal Trainerin ist sie für alle da, die etwas Nachhilfe in Sachen Bewegung brauchen! Aber immer mit einem Augenzwinkern. Sie hält regelmässig Vorträge zu Themen aus den Bereichen Motivation, Begeisterung und Grenzen überwinden.
www.allmountainfitness.ch
annemarieflammersfeld.blogspot.com
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