Gewisse Attribute der Schweiz sind einfach schwierig zu erkennen auf den ersten Blick. Oder haben Sie bei diesem Bild als erstes an das Bundeshaus gedacht? Bild: Carla Sabato
Als Schweizerin in Genf ist man beinahe eine Rarität. Was mir vor meinem Umzug immer wieder eingebläut wurde, glaubte ich tatsächlich erst als ich vor Ort war: Genf ist eine internationale Stadt. Wenn ich mich anderen Leute als Schweizerin vorstelle, begegnet mir oft Interesse und manchmal sogar Begeisterung. Was, du bist wirklich eine echte Schweizerin? Toll! Mit der Begeisterung kommen aber meist auch Forderungen und Fragen. Was tun Schweizer eigentlich den ganzen Tag? Wie verhält man sich in der Schweiz? Kannst du alle Berge im Umkreis benennen? Du könntest ja unser Guide sein während wir hier sind, wir folgen dir einfach!
Alles Dinge, die gar nicht so einfach zu erfüllen sind. Ganz abgesehen davon, dass Genf eine Sache für sich allein ist - und selbst ich mich wie im Ausland fühle. Oft kann ich also nicht auf Anhieb Antworten auf die vielen Fragen geben, weil ich mich ehrlich gesagt nie wirklich damit auseinandergesetzt hatte. Deshalb übernehmen oft andere Landsleute die gerade in der Nähe sind, die Beantwortung.
"Was ist eigentlich ein typisches Schweizer-Essen?"
Brasilianierin: "Fondue ist definitiv euer Nationalgericht!"
"Welche Orte in den Bergen sind am schönsten?"
Bevor ich das Engadin erwähnen konnte, sprang die mexikanische Tischnachbarin ein:
"Grindelwald und Interlaken! Es war überhaupt nicht touristisch und ich habe keine einzige chinesische Reisegruppe gesehen."
"Was vereint die Schweizer?"
Israelitin: "Das Bedürfnis, Kompromisse zu schliessen. Es ist wichtiger, einen gemeinsamen Nenner zu finden, als im Recht zu sein."
Ehrlich gesagt sind solche Situationen etwas kränkend. Leute aus anderen Ländern scheinen also zu glauben, sie würden mehr über mein eigenes Land wissen als ich. Vielleicht ist es tatsächlich einfacher, die typischen Merkmale eines Landes zu sehen wenn man es von aussen betrachtet. Trotzdem störte mich die selbstverständliche Verwendung von Klischees und die selbstbewusste Art, mit der ich quasi selber über mein Land unterrichtet wurde. Es ist aber auch wirklich schwierig, auf Knopfdruck eine ehrliche Antwort abzuliefern, ohne darüber zu sinnieren. Vielleicht müsste ich auch einfach eine Liste mit möglichen Fragen und Antworten über die Schweiz erstellen. Nur für den Fall.
Viel einfacher und unkomplizierter ist es, anderen Schweizern etwas über das Leben in der untersten Westschweiz zu berichten. An dieser Stelle also ein Tipp von Schweizer zu Schweizer: Sollten Sie sich in Nyon befinden, dann finden Sie das echte Erlebnis, das auch die Einheimischen mögen, im Kino: Dort gibt es nämlich eine Katze.
Carla Sabato
Carla Sabato ist Studentin, ehemalige Praktikantin bei der Engadiner Post, Hobbyfotografin (liebend gerne in der Dunkelkammer), stolze Vegetarierin, Yoga-Praktizierende, Verfechterin gemässigter Klimazonen, Frühaufsteherin, Hundehalterin, Pragmatikerin, schwarze Rollkragenpullover Trägerin, Teilzeit Existentialistin, Raus-aber-richtig-Frau, schlechte Autolenkerin und Möchtegern-Vancouverite.
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