Neulich habe ich gesucht – und gefunden. Einen Schoggi-Osterhasen, den meine Frau für mich versteckt hatte. Wie ein kleiner Bub habe ich mich gefreut, den Hasen kurz angeschaut, zielsicher draufgehauen, damit er in Stücke zerspringt, und mir ein Stück genüsslich in den Mund geschoben. Meine Frau schaute mich schockiert an: «Das kannst du doch nicht machen! So ein herziger Hase». Sie wird ihren Hasen mit Feingefühl essen, langsam anknabbern und vorsichtig Teile rausbrechen, damit das freundliche Gesicht des Hasen möglichst lange zu sehen ist. Später reden wir mit einem befreundeten Paar, wir kommen aufs Thema Osterhase zu sprechen und wieder: Er haut gerne drauf, sie findet's typisch Mann. Dann am Abend, beim Schauen eines Online-Ostergottesdienstes. Der Pastor erzählt einleitend von Schokohasen, die man zum Beispiel mit Pfeil und Bogen abschiessen kann. Und am Schluss, wenn die Predigt vorbei und nur noch der Osterhase auf dem Tisch steht, läuft plötzlich ein Techniker ins Bild. Er fängt an aufzuräumen, sieht den Hasen, haut in Stücke und isst hastig. Dieses eigentümliche Verhalten von Mann zu beurteilen, überlasse ich gerne der Leserin und dem Leser selbst. Was mich mehr interessiert, ist die Frage: Warum essen wir eigentlich Hasen aus Schokolade? Müssten wir nicht viel eher Kreuze aus Schokolade verstecken und verspeisen. Denn an Ostern feiern wir die Kreuzigung Jesus Christus, seinen Tod und seine Auferstehung. Deshalb ist das Kreuz das wichtigste Symbol des Christentums. Es soll uns daran erinnern, dass uns Jesus von der Macht des Bösen erlöst hat, wenn wir an ihn glauben und unsere Schuld bekennen. Doch wir erfreuen uns lieber an Hasen und Eiern; heidnische Fruchtbarkeitssymbole, die uns an den Frühling erinnern sollen. Dass mit Ostern der Frühling kommt, merke ich allerdings von selbst, in diesem Jahr sogar im Engadin. Was für eine Symbolkraft hingegen hat das Kreuz, gerade in einer Krisenzeit. Es gibt Hoffnung, dass alles Gut kommt. Und Orientierung, wenn wir uns fragen, was im Leben wirklich zählt. Aber das Kreuz spaltet ebenso die Gemüter. Für viele bedeutet es eher Anstoss und Hindernis als Hoffnung und Orientierung. Vielleicht gehen Confiserie-Meister deshalb auf Nummer sicher und kreieren besser lächelnde Schokohasen, die alle mögen, als simple Kreuze, die polarisierende Gefühle auslösen. Dabei wäre ein Schokokreuz so einfach zu verspeisen. Es bräuchte keinen mörderischen Schlag dazu und auch kein sanftes Heraustrennen von Teilen. In diesem Sinne: frohes Restosterhasenvertilgen.
Franco Furger
Franco Furger ist in Pontresina aufgewachsen und hat am Lyceum Alpinum Zuoz die Matura absolviert. Danach tourte er als Profi-Snowboarder um die Welt und liess sich zum Journalisten ausbilden. Er arbeitete als Medienkoordinator bei Swiss Ski, Redaktor bei der Engadiner Post und World Cup Organisator bei der Corvatsch AG. Im Sommer 2017 bloggte Franco über seine Erlebnisse als «Chamanna Segantini-Hüttenbub». Die Liebe führte ihn dann in die Stadt Luzern, wo er die Sonne und die Bündner Berge vermisste. Nun lebt er als freischaffender Texter mit Frau und Sohn in Laax.
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