Mulitpler Schutz vor bösen Geistern: Nazar Boncugu, das Glas-Auge. Bild: Ruth Bossart
Nehmen wir unsere Schuhe im Treppenhaus. Kürzlich erhielten wir eine Verwarnung unserer Vermieterin, dass sie uns wegen Sabotage verklagen werde. Warum? Wegen Schuhen. Nicht, dass wir Schuhberge vor der Wohnungstüre hätten. Nein, nur je ein Paar. Doch: zugegebenermaßen nicht immer ganz ordentlich hingestellt. Das hat offenbar das Potential für einen Gerichtsfall. Denn solche Schuhe bringen Unglück. In dem Fall: Unglück für unsere Vermieterin.
Ich sehe das anders: Schuld sind nicht die bösen Geister. Sondern Präsident Erdogan. Denn seit er mit seiner Politik Europa und die Welt provoziert, die Kurden in einem Bürgerkrieg bekämpft und wöchentlich Bomben explodieren kommen nicht nur weniger Touristen in das wunderbare Land. Auch die Expats, die Ausländer, die hier wohnen, lassen sich neuerdings lieber in Beirut nieder oder im sicheren Athen statt in Istanbul. Und so ist der Wohnungsmarkt für Ausländer ziemlich zusammengebrochen.
Pech haben die Vermieter, die noch nicht gemerkt haben, dass sie ihre exorbitanten Preise der Vergangenheit den Gegebenheiten der Zukunft anpassen sollten.
Zu ihnen gehört auch unsere Vermieterin. Auch die Nachbarwohnung ist seit über einem Jahr leer. Doch ihre Logik ist eine andere: die Wohnung konnte nicht vermietet werden, da unsere Schuhe vor der Türe die schlechten Geister angezogen haben und die verhindern die Weitervermietung. Punkt.
Interessanterweise scheint der Unrat rund ums Haus bei diesen Schwierigkeiten keine Rolle zu spielen, der defekte Basketballkorb, der auf dem Parkplatz vor sich hin rostet oder vom Dach hängen ein halbes Dutzend Kabel von verwaisten Satellitenschüsseln, die unsere Vormieter dort vergessen haben. Es sind die Schuhe, die die Cins anziehen.
Wenn ich diese Geschichte türkischen Freunden erzähle, haben diese durchaus Verständnis für meine Vermieterin. Schuhe vor der Türe, das gehe tatsächlich nicht, denn das verheisse nichts Gutes. So ähnlich, wie wenn man freitags das Haus putzt oder die Fingernägel am Donnerstag Abend schneidet.
Ruth Bossart
Ruth Bossart ist Historikerin und lebt mit ihrem Mann und Sohn Samuel seit diesem Frühjahr in Bern. Zuvor berichtete sie für das Schweizer Fernsehen aus Indien. Laufen, Ski- und Velofahren gelernt hat Samuel in Pontresina und Zuoz, bevor die Familie 2010 nach Singapur und später in die Türkei zog. Jedes Jahr verbringen die Drei aber immer noch mehrere Wochen im Engadin – nun nicht mehr als Einheimische, sondern als Touristen.
Diskutieren Sie mit
anmelden, um Kommentar zu schreiben