Foto: z. Vfg
Im folgenden Blog möchte ich die Gelegenheit nutzen, einen Blick auf die vergangene Saison zurückzuwerfen. Gefühlsmässig könnte man denken, die letzten Wettkämpfe liegen bereits meilenweit entfernt. Im Normalfall befinde ich mich im Monat Mai an einem anderen Punkt, als wo ich mich dieses Jahr befinde. Kurzgefasst stelle ich fest, dass es aus meiner Sicht eine durchaus erfolgreiche Saison war. Mit oberflächlichen Beobachtungen fallen die Erfolge nicht immer sofort auf. Doch die wirklichen Fortschritte und Entwicklungen kommen meist schleichend und nicht plötzlich. Natürlich träumt man als Athlet von diesen sogenannten «Exploits», wo man möglichst unerwartet ins Schwarze trifft und dadurch viel Aufmerksamkeit erregt. Auch ich habe in den vergangenen Jahren bereits erlebt, dass ich meine Erwartungen selbst übertroffen habe und Resultate erreicht habe, die man so nicht erwartet hätte. «Ich wusste es. Ich hab’s schon immer gesagt, dass du es draufhast!», hört man dann von Personen, die zuvor noch nie den Anschein erweckt haben, dass sie auf irgendeine Art und Weise an mich glauben würden. Die vergangene Saison war für mich neu. Sie war vor allem auch herausfordernd. Seit ich im letzten Frühling die Kaderselektion nicht mehr geschafft habe, habe ich nichts dem Zufall überlassen und die Zügel selbst in die Hand genommen. Für mich stand nie zur Diskussion, ob ich weitermachen würde. Die Frage war nur wie? Ich habe extrem viel Zeit, Arbeit und Energie darin investiert, einen Weg für mich ausfindig zu machen, der für mich stimmt. Diese sogenannten «Exploits» haben mir leider nur kurzfristig etwas gebracht. Es braucht deutlich mehr, damit man eine gewisse Konstanz erreicht und längerfristig erfolgreich sein kann. Man muss als Athlet umdenken, die Ziele längerfristig setzen und grössere Projekte starten. Automatisch fängt man auch an, anders zu denken und dementsprechend auch das Training anders zu gestalten. Mit einer 50 Prozent Anstellung und einem Teilzeitstudium sind zwei neue, wichtige Komponenten in meinem Alltag dazugekommen. «Ah, dann machst du jetzt Langlauf noch nebenbei, hobbymässig», heisst es dann. Nein. Die Prioritäten bleiben dieselben und die Ziele sind nach wie vor die gleichen. «Das geht doch nicht», heisst es dann. Doch, es geht. Diese zwei Komponenten helfen mir in der persönlichen Entwicklung sehr, was mir auch im Training zu Gute kommt. Seitdem bin ich belastungsfähiger und disziplinierter geworden. Ich weiss, was es bedeutet, einen strukturierten Alltag zu haben und die Zeit sinnvoll zu nutzen. Ein Tag hat 24 Stunden, und ich trainieren zweimal täglich, warum sollte ich einen Teil der restlichen Zeit nicht noch nutzen, um mich auch als Mensch weiter zu bilden und im Berufsalltag entwickeln zu können. Obwohl ich mir das alles eingeredet habe, habe ich nicht so richtig daran geglaubt. Und so hat eine Saison der kompletten Ungewissheit begonnen. Dazu kam, dass ich ohne Nationalkader unterwegs war und in einem neuen, ungewohnten Rennanzug meinen eigenen Weg machte. Unter all diesen Umständen, mit Ungewissheit und fehlendem Vertrauen, waren die Wettkämpfe für mich alles andere als einfach. Ich gehörte nicht mehr zu «ihnen», du den auserwählten des Landes im Nationaldress. In einer solchen Situation an der Startlinie zu stehen und selbst den Glauben finden, dass man absolut konkurrenzfähig ist, war schwierig. Ich war es mir gewohnt, dass ich nicht zu den Favoriten gehörte und man sich damit abgefunden hatte, dass Fabiana in den Wettkämpfen nun mal nicht das abrufen konnte, wozu sie im Training fähig war. Dieser Denkweise und Gewohnheit wollte ich endgültig ein Ende setzen. Doch auch hier musste ich lernen, dass es nicht mit dem Hintergedanken der Rechtfertigung oder «Rache» funktionieren wird, sondern nur, wenn ich es selbst glaube und möchte. Was mich auch überrascht hat war die Erwartungshaltung, die ich hatte. Es war wie ein Muster, dass sich in mir eingebrannt hatte. Es war ja «sowas von klar», dass nach ein zwei soliden Rennen wieder ein absoluter Reinfall folgen musste, so wie es in den letzten Jahren oftmals der Fall war. Ich trug diese Erwartungshaltung und eine ungewisse Angst in mir, dass ich die Wettkämpfe mit angezogener Handbremse und ganz und gar nicht frei von meinen Gedanken bestritt. Positiv überrascht war ich dann jeweils von den Endresultaten, die erstaunlich solide ausfielen. Dementsprechend fuchste es mich dann im Nachhinein auch, dass ich nicht mein ganzes Potenzial ausschöpfen konnte. Wo ich mich langsam aber sicher von diesem Muster befreien konnte, nahm die Saison auch schon ein abruptes Ende. Doch mit dieser Überzeugung machte ich mich bereits an die Vorbereitungen für die kommende Saison. Und dies mit einer Überzeugung und einem Inhalt, wie ich es zuvor noch nie hatte. Dabei hatte ich ganz vergessen, wie ausgelaugt und erschöpft ich mich die letzten Jahre zu diesem Zeitpunkt gefühlt hatte. Diese Schritte beweisen mir, dass ich mich als Athletin weiterentwickle und ich meinem Weg, der so absolut für mich stimmt, vertrauen kann. Die Analyse der ganzen Saison hat mir das ebenfalls bestätigt. Ich war mit meinen Leistungen so konstant wie nie zuvor. Ich wurde für jedes internationale Rennen anlässlich des Continental Cups sowie für zwei Weltcupeinsätze vom Nationalverband aufgeboten. Die letzten Jahre musste ich jeweils darum kämpfen. Mein Blickfeld reichte jeweils für allerhöchstens zwei Wochen aus und ich hatte das Gefühl, der Ungewissheit nachzurennen. Die Erweiterung dieses Blickfeldes ermöglicht mir längerfristig zu denken, mir den Druck zu nehmen, mich frei zu fühlen und einfach Spass an dem zu haben, was ich mache. Dazu kam noch ein Sieg an einem nationalen Rennen, was mir bestätigt hat, dass ich mithalten kann. Ich kann sagen, dass diese Saison eine gelungene war und ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Ich konnte das Vertrauen finden und mich von wertvollen Personen in meinem Umfeld auf einen guten Weg leiten lassen, wozu ich sehr dankbar bin. «Schade, dass es dir nicht gelungen ist, ins Kader zurückzukommen», habe ich auch oft gehört. War das das Ziel? Nein. Meine Ziele sind längerfristig gesetzt und es ist mir bewusst, was es braucht, um mich in ein Kader zurück zu kämpfen. Der Weg zu meinen Zielen wird mich früher oder später da zurückführen. Aber das ist kein direkt gesetztes Ziel, was ich verfolge. Ich möchte mich als Athletin so weiterentwickeln, dass ich die Konstanz guter Leistungen erreiche, ohne jedes Jahr im April vor den Selektionen bibbern zu müssen. Erst wenn ich an dem Punkt, an dem ich eine höhere Stufe konstant guter Leistungen erreicht habe, angekommen bin, bin ich bereit dazu und die Selektion wird mir die nötige Unterstützung geben können, die ich brauche. Ich habe den Bonus, mir meine Bezugs- und Vertrauenspersonen selbst aussuchen zu dürfen, die mich auf meinem Weg begleiten und konnte diesen Vorteil für mich nutzen. Um nochmals auf die Vorurteile zurückzukommen: Wo ich mich als Profisportlerin zu 100 Prozent auf den Sport konzentriert habe und mich keinerlei anderen Aufgaben verpflichtet habe hat es geheissen: «Sport, aha. Und arbeiten? Wo kommt denn das Geld her?» Jetzt bin ich Profisportlerin mit Studium und Anstellung nebenbei und jetzt heisst es: «Das ist nicht professionell, wie möchtest du deine Ziele erreichen?». Man kann den Erwartungen eben nie gerecht werden. Es ist wichtig, auf die eigenen Bedürfnisse einzugehen, einen passenden Weg dazu zu finden und selbst davon überzeugt zu sein. Es gibt keine Regeln, wie der perfekte Weg eines Spitzensportlers auszusehen hat. Denn der Mensch in ein Individuum und auch deren Wege gestalten sich individuell. Völlig frei von den Gedanken und Vorstellungen, wie mein Weg von anderen beurteilt wird, verfolge ich meine Ziele mit einem starken Willen, den mir niemand nehmen kann.
Fabiana Wieser
Fabiana Wieser ist 26 Jahre alt und gebürtige Unterengadinerin. Sport war schon immer ihre grosse Leidenschaft. Zu Beginn war sie oft auf den Skipisten unterwegs, bis sie schliesslich ihre Passion zum Ausdauersport, aber insbesondere zum Langlaufsport, entdeckte. Sie absolvierte das Gymnasium am Hochalpinen Institut in Ftan und hat in dieser Zeit unter anderem die Spitzensport RS in Magglingen absolviert.
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