Man mixe Kohlgemüse und Früchte. Foto: Franco Furger
Neulich blätterte ich durch ein Rezeptheftchen. Ich suchte nach Inspiration, um mir etwas Gutes und Gesundes zu gönnen, und stolperte über ein Rezept für einen grünen Smoothie. Dieser enthält viel Antioxidantien und soll die Abwehrkräfte stärken, was im Moment ja sehr wichtig ist. Die Idee eines grünen Smoothies ist es, eine grosse Menge Grünzeugs (Salat, Spinat, Kohlgemüse, frische Kräuter) zu sich zu nehmen, ohne lange darauf herumkauen zu müssen. Pflanzengrün soll besonders gesund sein, da es sehr viele Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente enthält und eine hohe Nährstoffdichte aufweist. Der Nachteil von ungekochtem Grünfutter: Es schmeckt eher bitter und ist schwer verdaulich. Darum wird es als grüner Smoothie mit Früchten vermengt und im Mixer zerkleinert. So wird die harte Zellstruktur des Blattgrüns aufgebrochen und das Gemisch dank des Fruchtzuckers geniessbar. Als Erfinderin des grünen Smoothies gilt die Russin Victoria Boutenko. Als sie und ihre Familie schwer erkrankt waren, stellte sie die Ernährung auf Rohkost um, wodurch sich der Gesundheitszustand der Familie schnell verbesserte. In der Folge wurde Boutenko zu einer Rohkost-Predigerin und fing an, sich an der Ernährungsweise von Schimpansen zu orientieren, weil diese eine genetische Übereinstimmung von 98 Prozent (oder mehr) mit Menschen haben. Schimpansen verfügen über ausgezeichnete Abwehrkräfte und werden selten krank, was Boutenko auf die Rohkosternährung der Tiere zurückführte, die zu etwa 50 Prozent aus Früchten und 40 Prozent aus grünen Blättern besteht. Ihre Schlussfolgerung: Was Schimpansen gut bekommt, ist auch für uns Menschen die richtige Ernährungsweise. Die Inspiration zum grünen Smoothie bekam Boutenko, als sie erfuhr, dass Schimpansen manchmal grüne Blätter um eine Banane wickeln und so verspeisen. Dies brachte sie auf die Idee, Früchte und Salat zu einem Getränk zu mixen – so zumindest beschreibt sie es in ihren erfolgreichen Büchern über Rohkosternährung. Ich bin skeptisch. Weil ich einem Schimpansen genetisch ähnlich bin, soll ich mich wie ein Affe ernähren? Immerhin sorgen die zwei Prozent genetische Differenz dafür, dass mein Gehirn rund 1,375 Kilo schwer ist, während ein männliches Schimpansenhirn lediglich 380 Gramm wiegt – das ist eine Abweichung von über 72 Prozent! Und man muss bedenken, dass das menschliche Hirn rund ein Fünftel der zugeführten Nahrungsenergie verbraucht. Sind rohe Bananen und Blätter wirklich das Richtige für mein Gehirn, das mehr als dreieinhalb Mal so gross und schwer wie ein Affenhirn ist? Benötigt mein Oberstübchen nicht eher Kaffee und eine Scheibe Confibrot, um am Morgen in Schwung zu kommen? Natürlich sind zu viel Weizen und Zucker ungesund. Doch trotz – oder vielmehr – dank unserer industrialisierten Lebensmittelproduktion haben Schweizer Männer eine durchschnittliche Lebenserwartung von 82 Jahren (Frauen sogar von 85 Jahren). Und manch ein Mann erreicht dieses hohe Alter ganz ohne den Verzehr von Rohkost und grünen Smoothies. Freilebende Schimpansen hingegen werden im besten Fall 40 Jahre alt. Trotz meiner Bedenken wage ich den Versuch und schneide zwei Äpfel in Stücke, zwei Stangen Stangensellerie, eine grosse Handvoll Federkohl und etwas Ingwer. Ich stopfe alles in den Mixer, giesse einen halben Liter Wasser dazu und püriere das Gemisch, bis eine sämige grüne Flüssigkeit entsteht. Sieht cool aus so ein grüner Smoothie, doch er schmeckt mir noch etwas zu “kohlig”. Nachdem ich eine reife Banane hinzugemixt habe, schmeckt der Vitamin-Booster fruchtig süss mit einem leicht erdigen Abgang. Besser als gedacht. Dazu gibt’s ein Stück Butterzopf mit Honig, schliesslich bin ich kein Affe.
Franco Furger
Franco Furger ist in Pontresina aufgewachsen und hat am Lyceum Alpinum Zuoz die Matura absolviert. Danach tourte er als Profi-Snowboarder um die Welt und liess sich zum Journalisten ausbilden. Er arbeitete als Medienkoordinator bei Swiss Ski, Redaktor bei der Engadiner Post und World Cup Organisator bei der Corvatsch AG. Im Sommer 2017 bloggte Franco über seine Erlebnisse als «Chamanna Segantini-Hüttenbub». Die Liebe führte ihn dann in die Stadt Luzern, wo er die Sonne und die Bündner Berge vermisste. Nun lebt er als freischaffender Texter mit Frau und Sohn in Laax.
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