Das erste Quartal des Jahres ist fast vorbei, und es ist an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Wie steht es um die guten Vorsätze, die während des Jahreswechsels getroffen wurden? Haben die Joggingschuhe in den letzten Wochen jemals Tageslicht gesehen? Sind die Turnhosen aus der hintersten Schublade nach vorne gewandert und wurde in diesen - aufgrund der pandemischen Lage - alleine vor dem Fernseher zu Jane Fonda der Aerobic-Hüftschwung geübt? Oder wurde Hüftschwung mit Hüftspeck verwechselt und die Turnhose als passives Accessoire aus ferner Distanz vom Sofa betrachtet? Wie dem auch sei. Ich kann Ihnen an dieser Stelle mit einem Augenzwinkern ans Herz legen, loszulegen. Machen Sie vorwärts. Ran an den Speck. Auf geht’s. Jetzt oder nie. Lassen Sie das Scheusal im Schrank und setzen Sie sich endlich in Bewegung. Man weiss nämlich nie, wann und wo man sich mit einer sportlichen Performance in Szene setzen muss. So ereignete sich folgende Story aus dem Alltag meines Daseins als Personal Trainerin. Meine Kundin Marina (Name selbstverständlich geändert, aber mir durchaus bekannt) ist eine Dame Anfang 80 (!). Sie ist geistig fit wie ein Turnschuh und ist sich keiner Ausrede für eine Absage unserer gemeinsamen Trainingseinheiten zu schade. Sie mag das Training einfach nicht, ist sich aber dennoch bewusst, dass es gut für sie ist. Und deswegen sehen wir uns ein- bis zweimal pro Woche zum medizinischen Krafttraining, wie ich es nenne. Sie muss mit Hanteln ihre Oberarme stärken, die guten alten Kniebeugen nach Turnvater Jahn machen und sich wie eine Schlange galant über den Boden kugeln. Nebenbei beklagt sie sich immer wieder und stöhnt, wie schrecklich diese Übungen doch alle seien. Auf diesem Ohr bin ich natürlich taub und gebe ihr eine Übung nach der anderen, so dass sie sich mittlerweile ein gutes Muskelkorsett aufgebaut hat. Und mit diesen tollen Muskeln musste sie sich neulich richtig in Szene setzen. Es ereignete sich wie folgt: Auf einer Autofahrt samt Begleitung musste sie hinter einem Fahrzeug bremsen, da es in einer engen Strasse zu einem kleinen Rangiermanöver kam. Ihr Vorfahrer musste dabei ein Stück zurückfahren und berührte dabei ihre Stossstange. Daraufhin sprang der andere Fahrer unverhofft aus seinem Auto und schrie meine Kundin mit bösen Worten an. Völlig perplex stieg auch meine Kundin aus ihrem Fahrzeug aus und setzte sich verbal zur Wehr. Das Wortgefecht nahm an Fahrt auf und die beiden gerieten richtig in Rage. Daraufhin stieg der statthafte Begleiter meiner Kundin aus dem Fahrzeug und wollte die beiden etwas beruhigen, was ihm auch gelang. Während die beiden Männer sich nun darüber stritten, wer Schuld habe, ging meine Kundin los, um das Auto des in Rage geratenen Fahrers zu fotografieren, das wiederum überhaupt keinen Schaden von dem Rangiermanöver davongetragen hatte! Als der andere Fahrer diese Handlung in seinem Grosshirn registrierte, brannten bei ihm im übrigen Hirn alle Sicherungen durch. Mit raumgreifenden Schritten sprang er wie ein Tiger auf meine Kundin, krallte seine Finger in ihren durchtrainierten Oberarm und wollte sie zur Seite stossen! Und in diesem Moment wurde sich meine Kundin über all ihrer Kräfte bewusst, holte mit dem anderen Arm aus und ihre Faust landete im Gesicht des Angreifers! Völlig baff wich dieser zurück und war sich in diesem Moment seiner Unterlegenheit völlig bewusst. Das Handgemenge löste sich dann nach sanften Worten der Entschuldigungen und Handreichungen glimpflich auf. Meiner Kundin ist diese Geschichte beim Erzählen ein bisschen peinlich, weil sie noch nie handgreiflich werden musste. Ich wiederum war einfach nur stolz, dass sie sich zur Wehr setzen konnte und so gut aus diesem Zwischenfall herausgekommen ist. Seitdem ist meine Kundin immer noch ausgezeichnet im Erfinden von Ausreden für eine Absage der Trainings. Ich verpacke die Übungen allerdings nun so, dass sie genau weiss, wofür sie die Muskeln einmal brauchen könnte. Und das motiviert sie so sehr, dass sie seitdem kein Training mehr hat ausfallen lassen. Von daher ist der ganze Fitnesswahn durchaus berechtigt und auch der Schweinehund sollte langsam mal darüber nachdenken, seinen Hüftspeck in Muskeln umzuwandeln.
Anne-Marie Flammersfeld
Anne-Marie Flammersfeld ist Diplom-Sportwissenschaftlerin, Personal Trainerin und hat einen BSc. in Psychologie. Sie hält einige sportliche Rekorde. So konnte sie 2012 als erste Frau der Welt alle vier Rennen der «Racing the Planet 4 Deserts Serie» gewinnen und lief 1000 Kilometer durch die vier grössten Wüste der Welt. Sie ist in 8h32 auf den Kilimanjaro gelaufen und konnte den damaligen Weltrekord um gute drei Stunden verbessern. Am Nordpol war sie auch und ihr Streckenrekord steht immer noch bereit, um eingeholt zu werden. Die 1978 geborene deutsche Sportlerin arbeitet mit ihrem Unternehmen all mountain fitness in St. Moritz und dem Engadin. Als Personal Trainerin ist sie für alle da, die etwas Nachhilfe in Sachen Bewegung brauchen! Aber immer mit einem Augenzwinkern. Sie hält regelmässig Vorträge zu Themen aus den Bereichen Motivation, Begeisterung und Grenzen überwinden.
www.allmountainfitness.ch
annemarieflammersfeld.blogspot.com
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