Foto: vetroswiss.ch
Neulich habe ich Altglas entsorgt. Mit prall gefüllten Taschen lief ich zur Glassammelstelle und warf weisse Gurkengläser, grüne Bierflaschen, braune Medikamentenfläschchen in die entsprechenden Behältnisse. In der Stadt Luzern wird Glas nämlich nach Farben getrennt recycelt. Während ich die Flaschen feinsäuberlich entsorgte, kam mir plötzlich Globi in den Sinn. Er war mein Kinderheld, ich habe seine Bücher regelrecht verschlungen und mir dadurch seine gutschweizerischen Wesenszüge, wie zum Beispiel Abfall trennen, einverleibt. In der Geschichte, an die ich gerade denken musste, sitzt Globi am Küchentisch und trinkt ein Glas Wein. Hinter ihm stapelt sich das Leergut, weisse und dunkle Flaschen, die er bald entsorgen muss. Die Flaschen in Harassen wegzutragen, scheint ihm jedoch zu umständlich. Da kommt Globi die Idee, alles mit einem Vorschlaghammer kleinzuschlagen. Die weissen und dunklen Scherben füllt er in einen Sack, den er lässig schultern kann. Fröhlich pfeifend läuft er damit zur Altglassammelstelle, um dann mit Ärger festzustellen, dass er seine kaputten Flaschen nach Farben sortiert abgeben muss. Dem armen Globi bleibt nichts anders übrig, als jede Scherbe einzeln auszusortieren, was er mürrisch, aber pflichtbewusst tut. Gegend Ende meines Entsorgungsgangs ist eine Olivenölflasche übriggeblieben, deren Farbe ich nicht zuordnen konnte. Dunkelgrün oder doch braun? Was würde wohl Globi tun, fragte ich mich, und schob sie schliesslich durch die braun umrandete Öffnung. Wieder Zuhause wollte ich es als wissbegieriger und pflichtbewusster Bürger genau wissen. Nach meiner Recherche musste ich dann feststellen, dass ich mich wohl für den falschen Container entschieden hatte. Denn ich las: Falls sich ein Glasbehältnis farblich nicht eindeutig zuordnen lässt, dann kommt es zum Grünglas und nicht zum Braunglas. Hmm! Globi hätte bestimmt eine Idee gehabt, um die Flasche wieder herauszufischen… Glas ist ein faszinierendes Material, im Wesentlichen besteht es aus Quarzsand, Kalk und Soda. Man kann Glas beliebig oft wieder einschmelzen, ohne dass Qualitätsverluste auftreten. So kann man Grünglas bis zu 100 Prozent aus Altglas herstellen, Braunglas bis zu 70 Prozent und Weissglas immerhin bis zu 60 Prozent, falls es nicht durch falsche Flaschenwürfe verunreinigt worden ist. Es macht also durchaus Sinn, Altglas korrekt nach Farben zu trennen. Globis Scherbengeschichte war mir vielleicht deshalb im Gedächtnis geblieben, weil ich das lange Zeit nicht gekannt hatte: dass man Glas nicht nur sammelt, sondern auch sortiert. In meiner Heimat Engadin landet schliesslich alles Glas im selben Sammelcontainer, egal welche Farbe. Globis Hammermethode anzuwenden, ist hier kein Problem. Doch für die Glasherstellung (ausser Grünglas) ist der bunte Scherbenhaufen nicht geeignet. Doch was passiert dann mit dem Engadiner Altglas? Ein grosser Teil wird in Surava oder Dagmersellen zu Schaumglasschotter verarbeitet, ein hochwertiges Dämmmaterial für die Bauindustrie, das nahezu vollständig aus Altglas besteht. Eine Erfindung aus den Bündner Bergen. Rund 71 Prozent des Schweizer Altglases wird hingegen farbgetrennt gesammelt, um daraus wieder Flaschen und Lebensmittelgläser herzustellen. In der Schweiz gibt es jedoch nur noch eine Glashütte, die Glasverpackungen produziert. Diese steht inmitten des Genfersee-Weingebiets und fertigt Flaschen für Schweizer Wein-, Spirituosen- und Bierproduzenten. Die Glashütte verarbeitet jährlich über 80'000 Tonnen Scherben oder rund 26 Prozent des Schweizer Altglases. Das bedeutet: Das meiste Glas (über 60%), welches wir Schweizer nach Gebrauch pflichtbewusst in die richtige Tonne werfen, wird heute ins nahe Ausland exportiert. Wenn Globi das damals geahnt hätte (meine Geschichte stammt wahrscheinlich aus einem Band, der in den 50er Jahren erschienen ist), hätte er in seiner langen Laufbahn bestimmt mal eine Schweizer Glashütte besucht, um diesen Industriezweig rechtzeitig zu promoten. Doch inzwischen spielt Globi am liebsten Tennis mit Roger Federer (Band 92, erschienen im April 2021). Mein liebster Band hiess «Globi wird Soldat», der 1940 also während des Zweiten Weltkriegs herausgegeben wurde. Das Buch lag in der untersten Schublade der Wohnwand meiner Grossmutter. Jedes Mal, wenn ich mein Grosi besuchte, studierte ich, wie Globi Streiche mit dem Schweizer Militär spielte. Später fand ich es dann nicht mehr notwendig, selber Militärdienst zu leisten. Aber das ist eine andere Geschichte. Apropos richtig recyclen Trinkgläser und Blumenvasen sowie Fensterglas oder Tischplatten gehören nicht ins Altglas, sondern in die Schuttmulde. • Trinkgläser und Blumenvasen, vor allem Kristallgläser, haben einen erhöhten Bleigehalt. Dieser ist aus gesundheitlichen Gründen in Glasverpackungen gesetzlich streng limitiert. • Fensterglas oder Tischplatten aus Glas haben eine andere chemische Zusammensetzung und höhere Schmelztemperaturen und können deshalb nicht als Verpackungsglas verarbeitet werden. (Quelle: www.vetroswiss.ch)
Franco Furger
Franco Furger ist in Pontresina aufgewachsen und hat am Lyceum Alpinum Zuoz die Matura absolviert. Danach tourte er als Profi-Snowboarder um die Welt und liess sich zum Journalisten ausbilden. Er arbeitete als Medienkoordinator bei Swiss Ski, Redaktor bei der Engadiner Post und World Cup Organisator bei der Corvatsch AG. Im Sommer 2017 bloggte Franco über seine Erlebnisse als «Chamanna Segantini-Hüttenbub». Die Liebe führte ihn dann in die Stadt Luzern, wo er die Sonne und die Bündner Berge vermisste. Nun lebt er als freischaffender Texter mit Frau und Sohn in Laax.
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