Das kleine Schiff mit dem schwarzen Schornstein ist die passende Zeitmaschine für einen Ausflug in die Vergangenheit. Bild: Carla Sabato
Die Bank unter mir vibrierte leicht und als ich mich zurücklehnte, stieg mir der Geruch von Farbe in die Nase. Unser Gefährt schaukelte leicht hin und her. Die Mischung aus strahlendem Sonnenschein und Wind sorgte für die perfekte Temperatur, um es sich gutgehen zu lassen: Heute wechsle ich für einmal die Perspektive vom Land aufs Wasser. Genau genommen auf ein Schiff der Belle Epoque Flotte auf einem grossen See in der Westschweiz. Denn, in Ermangelung vielseitiger Freizeitaktivitäten wie es sie beispielsweise im Engadin gäbe, muss man im (französischen) Unterland etwas kreativer werden. Zum Beispiel, indem man sich auf eher unübliche öffentliche Transportmittel verlässt, anstatt einfach den Zug zu nehmen.
Es war also ein strahlend schöner Sommernachmittag und meine Laune war auf dem Höchststand. Als Brocantegängerin konnte ich natürlich nicht umhin, die Details des alten Schiffes zu bewundern und mich zu ärgern, dass ich nicht ein paar Stationen früher zugestiegen war, um damit die Fahrt etwas zu verlängern. Als ich durch das Schiffsinnere schlenderte und den polierten Holzfussboden, das alte Dampfrad und die metallbeschlagenen Treppenstufen sah, welche mit dem Jahr 1907 datiert waren, schien es, als könnte ich für einen kurzen Moment in die Vergangenheit blicken. Ich stellte mir vor, wie die Leute in Downton Abbey-mässiger Montur (wohlgemerkt mit einer Montur aus der ersten Staffel) durch die Gänge schlenderten, treppauf und treppab liefen, oder vielleicht Tee tranken im holzvertäfelten Speisesaal...
Viel zu früh endete dieser Ausflug mit dem Andocken in Lausanne, wo die neueren Schiffe und auch die führerlose Metro meine Vorstellungskraft doch sehr auf die Probe stellen.
Wenn auch Sie eine solche Reise unternehmen wollen, dann scheinen alte Schiffe das Transportmittel der Wahl zu sein - zusammen mit einem alten, schweren Koffer, in den gute Vorstellungskraft und geflissentliches Übersehen zu packen gilt. Schliesslich sind diese neumodischen Kleider der Menschen und deren Geräte ein Grund zur Skepsis, da hatte Mrs. Patmore ganz recht.
Carla Sabato
Carla Sabato ist Studentin, ehemalige Praktikantin bei der Engadiner Post, Hobbyfotografin (liebend gerne in der Dunkelkammer), stolze Vegetarierin, Yoga-Praktizierende, Verfechterin gemässigter Klimazonen, Frühaufsteherin, Hundehalterin, Pragmatikerin, schwarze Rollkragenpullover Trägerin, Teilzeit Existentialistin, Raus-aber-richtig-Frau, schlechte Autolenkerin und Möchtegern-Vancouverite.
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