Foto: Franco Furger
Neulich ging ich einkaufen, mit einer ökologisch sinnvollen Absicht. Ich hatte gelesen, dass ein grosses Schweizer Detailhandelsunternehmen neu ein Unverpacktangebot führt. Für lang haltbare Lebensmittel wie zum Beispiel Reis, Pasta, Hülsenfrüchte oder Nüsse und Dörrfrüchte. Ich liebe Nüsse und Dörrfrüchte und habe einen entsprechend hohen Verzehr. Die handelsüblichen 200-Gramm-Verpackungen sind daher eher klein für meinen Bedarf und landen in hoher Zahl in meinem Kehricht. Doch nun soll es möglich sein, Mandeln, Cashewkerne und getrocknete Feigen ohne Verpackung einkaufen zu können. Klingt gut, nicht wahr? Ganz ohne Verpackung werde ich meine geliebten Nüsse natürlich nicht nach Hause getragen haben. Sinn des unverpackten Einkaufens ist es, die Verpackung mehrfach zu verwenden und nicht nach einmaligem Gebrauch wegzuwerfen. Also suchte ich in Küche und Keller nach geeigneten Mehrwegbehältern, packte alte Konfigläser, Aludosen und Frischhalteboxen in den Rucksack und machte mich voller Vorfreude auf den Weg. Unverpackt einzukaufen, macht nämlich Spass, da man das gewünschte Produkt aus einem Rohr rieseln lassen und so die gewünschte Menge selber bestimmen kann. Hinzu kommt das gute Gefühl, umweltbewusst zu handeln. Ich hatte bereits ein wenig Erfahrung als Unverpackteinkäufer. Denn ein Sozialwerk betreibt in der Stadt schon länger einen Laden, der verpackungsfreie Produkte anbietet. Als ich dort einkaufen war, wurde ich von fröhlichen Menschen begrüsst. Angeblich sollen sie eine psychische Beeinträchtigung haben, doch ich hatte nichts davon gemerkt. Im Gegenteil, sie hatten mir äusserst kompetent und freundlich erklärt, wie das verpackungsfreie Einkaufen funktioniert: Zuerst den mitgebrachten, noch leeren Behälter auf die Waage legen, die TARA-Taste drücken und das Etikett mit dem Strichcode auf den Behälter kleben. Dann den Behälter mit dem gewünschten Produkt befüllen und sich die Produktnummer merken. Nun den vollen Behälter wägen, die Produktnummer eintippen und nicht vergessen das TARA-Etikett abzuscannen, damit das Eigengewicht des Behälters vom Gesamtgewicht abgezogen wird. Jetzt nur noch die OK-Taste drücken und voilà, das Preis-Etikett erscheint. Die so eingekauften Mandeln und der Risottoreis hatten sehr gut geschmeckt, waren aber auch ziemlich teuer. Beim Grossverteiler hingegen versprach ich mir handelsübliche Preise. Als ich in den geräumigen Laden trat, erklärte mir eine nicht allzu freundliche Frau, dass die Unverpacktstation im Untergeschoss sei. Ich nahm die Rolltreppe, lief an aufwändig verpackten Fleischerzeugnissen vorbei, kurvte mich schwungvoll durch die Gemüseabteilung, sodass die Mehrwegbehälter im Rucksack schepperten, und dann sah ich sie vor mir: prall gefüllte Kunststoffröhren mit einem Hebel, um den Inhalt herausrieseln zu lassen. Ich holte ein grosses Einmachglas hervor und suchte die Waage, um das TARA-Etikett auszudrucken. Oder wie funktioniert‘s hier? Ich entdeckte die Anleitung und las, dass ich einen Beutel fürs Befüllen verwenden soll. Einen Beutel? In einer Halterung sah ich braunfarbige Papiersäcklis und nahm eins in die Hand. Irritiert bemerkte ich ein Sichtfenster aus Plastik oder einem Plastikersatzstoff, der für die Herstellung auch eine Menge Energie benötigt hat. Schönes Verpackungsfrei, dachte ich: Ich soll ein Säckli verwenden, das aus verschiedenen Materialein hergestellt und dadurch nicht mal fürs Recycling geeignet ist. Wo bitte ist da der Unterschied zur herkömmlichen Nüsslimischung aus dem Regal, wenn ich einen Verpackungsbeutel benötige, der ebenso im Kehricht landet? Enttäuscht lief ich mit meinen leeren Gläsern und Dosen wieder aus dem Laden. Ich fühlte mich als Marketingopfer, das auf die Nachhaltigkeits- und Biomasche hereingefallen war. Die strahlende Sonne am Himmel lies meinen Ärger jedoch schnell verfliegen und ich lief mit meinen leeren Behältern weiter, bis ich den Laden mit den fröhlichen und ehrlichen Menschen erreicht hatte. Dort kaufte ich endlich meine geliebten Nüsse. Der zusätzliche und lange Weg war mir egal, die teuren Preise ebenso. Lieber unterstütze ich Menschen mit einer Beeinträchtigung als Marketingstrategien mit einer Behinderung, dachte ich mir und ging zufrieden nach Hause. P.S. Auf der Homepage des grossen Schweizer Detailhandelsunternehmens habe ich später gelesen, dass es künftig möglich sein soll, neben den Papiersäcklein mit Plastikfenster auch mitgebrachte Behälter befüllen zu können.
Franco Furger
Franco Furger ist in Pontresina aufgewachsen und hat am Lyceum Alpinum Zuoz die Matura absolviert. Danach tourte er als Profi-Snowboarder um die Welt und liess sich zum Journalisten ausbilden. Er arbeitete als Medienkoordinator bei Swiss Ski, Redaktor bei der Engadiner Post und World Cup Organisator bei der Corvatsch AG. Im Sommer 2017 bloggte Franco über seine Erlebnisse als «Chamanna Segantini-Hüttenbub». Die Liebe führte ihn dann in die Stadt Luzern, wo er die Sonne und die Bündner Berge vermisste. Nun lebt er als freischaffender Texter mit Frau und Sohn in Laax.
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