Mitbewohnerprodukte können mitunter auch den Sinn dieser abstrakten Zeichnung ableiten. Bild: Carla Sabato
Heute geht es nicht um den Kühlschrankinhalt von Mitbewohnern, sondern um mich. Ich bin das Mitbewohnerprodukt. Man sagt ja, wir seien ein Abbild der Menschen die uns am nächsten stehen. Ich glaube aber auch, dass wir ein Abbild unserer Mitbewohner sind. Wenn Sie meine schriftlichen Beiträge schon etwas länger verfolgen, dann wissen Sie vielleicht, dass ich mit Architekten zusammenwohne. Um genau zu sein: Seit 5 Jahren hat mir die Mitbewohnerverteilungslotterie tatsächlich immer (bis auf zwei Ausnahmen) Architekten vor die Nase gesetzt. Ein Umzug ans andere Ende der Schweiz konnte daran nichts ändern. Und wenn ich so über mein vergangenes und aktuelles Leben reflektiere, dann ist dieses doch stark von diesem Umstand geprägt.
Fangen wir beim Frühstück an. Wenn ich mich mit meinem Porridge morgens hinsetze, werde ich zuerst frontal von einem Bauhaus Plakat begrüsst. Drehe ich den Kopf etwas nach links, warten einige Bildbände zu diversen Architekturthemen darauf, meine Morgenlektüre zu sein. Geht es dann um die Freizeitgestaltung, finde ich mich seltsamerweise immer wieder in architekturspezifischen Aktivitäten wieder. Sei es bei gemeinschaftlichen Mittagessen im Kreise der Architekten vor ihrer Universität, auf Partys oder in riesigen Werkräumen. Schliesslich musste die Miniatur-Bambuswand aus Schaschlikspiessen fertig werden, damit täuschend echte Fotos hergestellt werden konnten. Es kann aber auch heissen, Samstagmorgens eine knappe Stunde aufs Land zu fahren, um einer Führung in einem neugebauten Schulhaus beizuwohnen. Dort musste ich mich zuerst in die Gruppe von Menschen mit Umhängetaschen, Freitagrucksäcken, schlichter, gerader und minimalistisch geschnittener Kleidung in dunklen Farben (vorzugsweise Schwarz), und schlichten Schnürschuhen eingliedern, welche alle verkündeten: Wir sind Design-Experten.
Die Stimmung war für einen so frühen Samstagmorgen ausgesprochen vergnügt und das Scannen des Covid-Zertifikats diente wohl eher dazu, jeden freundlich mit Vornamen willkommen zu heissen. Drinnen schwärmten die Besucher direkt in alle Ecken des Gebäudes aus um Fotos von allen Ecken zu machen, drängten sich aneinander vorbei um die Toiletten besichtigen zu können und rüttelten mit einer Selbstverständlichkeit an den Türklinken, die mich nur im ersten Moment irritierte. Im zweiten Moment jedoch war ich davon eigentlich nicht überrascht. Das alles wohlgemerkt in Socken oder mit blauen Plastiküberziehern über den Schuhen sofern innerhalb der Räume. Beim Hinausgehen wurden einander Mitfahrgelegenheiten angeboten und lauthals bemerkt, dass sich hier bestimmt nur Architekten befänden.
Und obwohl ich im Herzen eigentlich einer anderen Fachrichtung angehörte, konnte auch ich nicht anders, als dieser letzten Bemerkung nicht zu widersprechen, dem grandiosen Lichteinfall der Fenster nachzuhängen, den Boden doch etwas unruhig zu finden und über das Potential von Backsteinen nachzudenken, welche aus überflüssigem Erdaushub hergestellt wurden.
Carla Sabato
Carla Sabato ist Studentin, ehemalige Praktikantin bei der Engadiner Post, Hobbyfotografin (liebend gerne in der Dunkelkammer), stolze Vegetarierin, Yoga-Praktizierende, Verfechterin gemässigter Klimazonen, Frühaufsteherin, Hundehalterin, Pragmatikerin, schwarze Rollkragenpullover Trägerin, Teilzeit Existentialistin, Raus-aber-richtig-Frau, schlechte Autolenkerin und Möchtegern-Vancouverite.
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