ABC - So einfach konstruiert man einen einprägsamen Slogan. Foto: Franco Furger
Neulich war ich in Landeck und wurde enttäuscht. Nicht weil der Ort wenig Spannendes zu bieten hat, sondern weil die Pizzabude beim grossen Kreisel im Stadtzentrum nicht mehr „Pizza Zaggi“ heisst, sondern „Flo’s – Pizza Burger Pasta“. Schade, denn mit Pizza Zaggi verbinde ich einige schöne Jugenderinnerungen. In meinen 20ern fuhr ich mit meinen Kumpels nämlich oft ins Tirol, um dort zu snowboarden und an Wettkämpfen teilzunehmen. Der Weg vom Engadin führte damals mitten durch Landeck, wo sich jeweils der Verkehr staute. Der heutige Umfahrungstunnel ist erst im Jahr 2000 eröffnet worden. In Landeck machten wir dann meist einen kurzen Halt bei Pizza Zaggi. Wie gut die Pizza schmeckte, weiss ich nicht mehr. Aber ich kann mich noch gut an das gelb-grüne Interieur erinnern und an den Slogan, der auf der Speisekarte und an den Wänden stand: Kamel – Kapizza. Dazu war ein Comic gezeichnet. Ein Kamel sagt: „Kamel“. Ein Pizzaiolo ruft: „Kapizza“. Um das lustig zu finden, muss man ein wenig Tirolerisch verstehen, wo „ka“ oder „koa“ soviel wie „kein“ bedeutet. Aha! Kein Mehl – keine Pizza. Wie wahr... Blöder geht’s kaum, doch wir fanden den Spruch amüsant und 20 Jahre später kann ich mich noch immer daran erinnern.
Inzwischen lebe ich in Luzern, wo ich auch vielerorts auf platte Slogans und Firmennamen treffe. Die schlimmsten haben Coiffeure, welche hier Schnittpunkt, Haarchitektur oder HAUPTsache heissen. Mein Lieblingsslogan stammt jedoch von einem Malergeschäft. Die Firmenfahrzeuge und die Bude sind auffällig und mit drei grossen, farbigen Buchstaben beschriftet: ABC – alles bemalt Castelli. Total banal, aber der Slogan hat sich sofort in meine Grosshirnrinde eingebrannt, die Hirnregion, die fürs Langzeitgedächtnis zuständig ist, obwohl ich das überhaupt nicht wollte und auch keinen Maler benötigte. Im Häuserblock, wo ich wohne, hat es ebenfalls einen Maler. Ich laufe oft am Firmenschild vorbei, aber habe mir den Namen – jetzt wo ich darüber nachdenke – bisher nicht merken können. Sollte ich irgendwann einen Maler benötigen, rufe ich wahrscheinlich Castelli an und nicht den Maler im gleichen Block. Wie es scheint, bin ich entweder anfällig für platte Werbung oder der ABC-Slogan ist gar nicht so schlecht. Was benötigt denn ein Slogan, damit er hängen bleibt? - Er muss kurz sein - ein (wahres) Versprechen enthalten - und eventuell ein rhetorisches Stilmittel anwenden. Maler Castelli erfüllt alle drei Anforderungen. Ob gewollt oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Der Slogan, Firmenname inklusive, besteht aus nur drei Wörtern, ist also kurz. Ein Versprechen, wir bemalen alles, wird mitgeteilt und suggeriert eine hohe Fachkompetenz. Und mit etwas gutem Willen kann man sogar ein rhetorisches Stilmittel erkennen, da die Buchstabenfolge ABC eine Art Trikolon (Dreiklang) bildet. Ein bekanntes Trikolon aus der Werbung heisst „Quadratisch. Praktisch. Gut.“ (Ritter Sport). Ganz so rhythmisch klingt „Alles bemalt Castelli“ zwar nicht, aber dank den grafisch hervorgehobenen Buchstaben A, B und C prägt sich der holprige Satz trotzdem gut ein.
Auch wenn Sie die Wortschöpfung „Kamel – Kapizza“ analysieren, werden Sie feststellen, dass die Anforderungen für eine hohe Einprägsamkeit erfüllt sind. Ob die Wortfolge sinnvoll oder bescheuert klingt, ist hingegen eine andere Frage. Natürlich, im Idealfall tönt ein einprägsamer Slogan nicht so platt und hohl, sondern intelligent, witzig oder vertrauensvoll wie zum Beispiel: - Just do it (Nike) - Red Bull verleiht Flügel - Haribo macht Kinder froh Doch solche Slogans oder Claims sind selten. Allzu oft werben Firmen mit bedeutungsschweren, doch wenig einprägsam Phrasen. Die Frage lautet deshalb meist: Traut man sich, platt zu sein, oder bleibt man wenig einprägsam? Wenn ich mir die Entwicklung von Bündner Tourismusslogans anschaue, dann ist eher Letzteres der Fall. Erinnern Sie sich noch an diesen Werbespruch? „Mein Ziel – Savognin“. Legendär. Oder an diesen? „Auf und Davos“. Immerhin ein Wortspiel. Heute klingt es so aus den Engadiner Nachbartälern: „Val Surses – So nah an einer anderen Welt“ und „Davos Klosters – Sports Unlimited“. Ist das so viel besser? Es klingt natürlich eloquenter und mit Englisch wird ein internationales Publikum erreicht. Doch mir haben die alten, etwas unbeholfenen Sprüche trotzdem besser gefallen. Sie klangen ehrlicher, authentischer, bodenständiger. Auch „Graubünden – Die Ferienecke der Schweiz“ fand ich gut. „St. Moritz – Top of the World“ mag für viele auch je länger, je platter klingen. Aber einen tatsächlich besseren und einprägsameren Slogan wird man nicht so leicht finden. Apropos: Kennen Sie diesen? „Celerina – The sunny side of St. Moritz.” Nicht unbedingt einprägsam, aber ziemlich frech, St. Moritz einfach so in den Schatten zu stellen.
Franco Furger
Franco Furger ist in Pontresina aufgewachsen und hat am Lyceum Alpinum Zuoz die Matura absolviert. Danach tourte er als Profi-Snowboarder um die Welt und liess sich zum Journalisten ausbilden. Er arbeitete als Medienkoordinator bei Swiss Ski, Redaktor bei der Engadiner Post und World Cup Organisator bei der Corvatsch AG. Im Sommer 2017 bloggte Franco über seine Erlebnisse als «Chamanna Segantini-Hüttenbub». Die Liebe führte ihn dann in die Stadt Luzern, wo er die Sonne und die Bündner Berge vermisste. Nun lebt er als freischaffender Texter mit Frau und Sohn in Laax.
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