In ihrem Buch «Die Kunst, Champagner zu trinken» erzählt Amélie Nothomb in der Ich-Form von einer so erfolgreichen wie verwöhnten Pariser Schriftstellerin auf der Suche nach einer ebenbürtigen Saufkumpanin. Und wo finden Autorinnen kluge Gefährtinnen und Partners in Crime? Die Erzählerin weiss: bei Signierstunden. Dort, sagt sie, stünden – zumindest in ihrem Fall - die hübschesten Frauen an, um ihr Autogramm zu ergattern. Und deshalb gesellten sich auch viele andere Menschen dazu. Die Erzählerin sagt nicht, es seien die wenig attraktiven, die einen Strahl Glamour abbekommen möchten, aber ich ahne es und sehe mich mit allen anderen Leserinnen von «Die Kunst, Champagner zu trinken» schmachtend oder genervt neben der Reihe der Hübschen stehen, die sich ihrer Majestät dezent nähern.
«Lüsterne Blicke gefielen mir, sofern sie nicht zu aufdringlich waren.», heisst es. Und dass sie die Widmungen «mit niederschmetternder Langsamkeit verfasse.» Aber sicher. Die, die Macht haben, diktieren die Gangart. Die Nothomb-Lektüre regt mich aus mindestens zwei Gründen an - und auf.
Zum einen erfreut, was nur gute Literatur bieten kann: Erzählmacht, eigener Ton, stilistisches Können, Einfallsreichtum und Denkstärke sowie, als Resultat, beste Unterhaltung. Zum anderen provoziert mich die feldherrenhafte Position der Erzählerin. Dass diese Erhabenheit nicht zwingend gewollt ist, zeigt in einer superben Szene die als Kontrastfigur konzipierte Vivienne Westwood. Deren Hochmut übertrifft denjenigen der Schriftstellerin haushoch, was jedoch eher der zufälligen Konstellation geschuldet ist.
Ich sehe, was ich als – im Vergleich – unbekannte Autorin nicht anstrebe, zum Beispiel diese Art der Erzählhoheit und ministrierte Signierstunden, die in der Schweiz lächerlich wären. Für die Bedeutung der Widmung trifft das allerdings nicht zu. Die Widmung ist ein poetischer Akt. Er bezeugt mit Hand, Füllfeder, Kugelschreiber oder, auch schon gesehen: Bleistift Autorschaft.
Er erneuert den Bund. Die Dynamik des Schreibens verlebendigt die normierten Buchstaben, die fertige Signatur tritt in Resonanz mit dem eigenen Werk, das zwar nach wie vor ein Textkörper bleibt, der lebt und atmet und wohl auch antwortet, aber dennoch ein Leben lang beleidigt ist, von der Autorin in den Buchknast geschickt und jedem Menschen mit Portemonnaie ausgehändigt zu werden. Nur Leserin und Leser vermögen den Text im Dialog wieder zu befreien und glücklich zu machen. Sie treten in Resonanz mit dem ihnen gewidmeten Buch, das nicht «für alle und keinen» (Friedrich Nietzsche) ist, wie das englische Wort «Copy» für das gedruckte Exemplar insinuiert, ihr Buch ist nun sichtbar persönlich, ein Original.
Erfahren Leserin und Leser den noch unbekannten Text anders unter dem Eindruck der schwungvollen, ausladenden, ökonomischen, originellen, als banal, hässlich, überkandidelt empfundenen, unleserlichen, hingepfuschten oder kalligraphischen Schrift, die den Anfang macht? Keine Ahnung. Vielleicht fällt mir nach einem Glas Champagner etwas dazu ein.
«Lüsterne Blicke gefielen mir, sofern sie nicht zu aufdringlich waren.», heisst es. Und dass sie die Widmungen «mit niederschmetternder Langsamkeit verfasse.» Aber sicher. Die, die Macht haben, diktieren die Gangart. Die Nothomb-Lektüre regt mich aus mindestens zwei Gründen an - und auf.
Zum einen erfreut, was nur gute Literatur bieten kann: Erzählmacht, eigener Ton, stilistisches Können, Einfallsreichtum und Denkstärke sowie, als Resultat, beste Unterhaltung. Zum anderen provoziert mich die feldherrenhafte Position der Erzählerin. Dass diese Erhabenheit nicht zwingend gewollt ist, zeigt in einer superben Szene die als Kontrastfigur konzipierte Vivienne Westwood. Deren Hochmut übertrifft denjenigen der Schriftstellerin haushoch, was jedoch eher der zufälligen Konstellation geschuldet ist.
Ich sehe, was ich als – im Vergleich – unbekannte Autorin nicht anstrebe, zum Beispiel diese Art der Erzählhoheit und ministrierte Signierstunden, die in der Schweiz lächerlich wären. Für die Bedeutung der Widmung trifft das allerdings nicht zu. Die Widmung ist ein poetischer Akt. Er bezeugt mit Hand, Füllfeder, Kugelschreiber oder, auch schon gesehen: Bleistift Autorschaft.
Er erneuert den Bund. Die Dynamik des Schreibens verlebendigt die normierten Buchstaben, die fertige Signatur tritt in Resonanz mit dem eigenen Werk, das zwar nach wie vor ein Textkörper bleibt, der lebt und atmet und wohl auch antwortet, aber dennoch ein Leben lang beleidigt ist, von der Autorin in den Buchknast geschickt und jedem Menschen mit Portemonnaie ausgehändigt zu werden. Nur Leserin und Leser vermögen den Text im Dialog wieder zu befreien und glücklich zu machen. Sie treten in Resonanz mit dem ihnen gewidmeten Buch, das nicht «für alle und keinen» (Friedrich Nietzsche) ist, wie das englische Wort «Copy» für das gedruckte Exemplar insinuiert, ihr Buch ist nun sichtbar persönlich, ein Original.
Erfahren Leserin und Leser den noch unbekannten Text anders unter dem Eindruck der schwungvollen, ausladenden, ökonomischen, originellen, als banal, hässlich, überkandidelt empfundenen, unleserlichen, hingepfuschten oder kalligraphischen Schrift, die den Anfang macht? Keine Ahnung. Vielleicht fällt mir nach einem Glas Champagner etwas dazu ein.
Romana Ganzoni
Romana Ganzoni (*1967, Scuol) ist Autorin und wohnt in Celerina/Schlarigna. Nach 20 Jahren als Gymnasiallehrerin schreibt sie seit 2013 Romane, Erzählungen, Gedichte, Essays, Kolumnen sowie für Radio und Bühne. Sie wurde für den Bachmannpreis nominiert, erhielt den 1. Preis beim Essay-Wettbewerb des Berner Bunds und ist Trägerin des Bündner Literaturpreises.
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