Foto: shutterstock.com/Thammanoon Khamchalee
Es ist ein wunderschöner Sommertag und ich liege am Strand auf einem roten Liegestuhl. Es beschäftigen mich gerade nur zwei Arten von Sorgen: 1. Habe ich genug Sonnencrème aufgetragen? 2. Soll ich auf den Bauch oder auf den Rücken liegen?Meine Freundin reicht mir ein Magazin, dass sie soeben gelesen hat. Ich blinzle in die Sonne und freue mich über etwas Abwechslung für meine Gehirnzellen. Auf dem Cover des Magazins ist ein wunderschöner Sternenhimmel abgebildet. Die Covergeschichte erzählt davon, dass der Mensch bis im Jahr 2030 – 300'000 Satelliten ins Weltall schiessen möchte. Meine Augen weiten sich immer mehr beim Lesen dieses Artikels. Das Wellenrauschen entfernt sich leise aus meiner Wahrnehmung.Ich lege das Magazin in den Sand und versuche zu erfassen, was ich soeben gelesen habe. Diese 300'000 Satelliten sollen nicht nur dafür sorgen, dass wir immer und überall schnelles Internet haben werden, sie lassen auch die Sterne am Himmel erlöschen. Ich schaue meine Freundin an und möchte etwas sagen. Die Buchstaben der Worte aber fallen aus Unfassbarkeit auseinander und fliegen wie Schmetterlinge davon. Ich lese den Artikel sicherheitshalber nochmals durch. Vielleicht habe ich nur etwas falsch verstanden? Doch auch beim zweiten Durchlesen, sagt es immer noch das Gleiche: Im Jahr 2030 werden keine Sterne mehr zu sehen sein.Wie oft hat mich der Sternenhimmel inspiriert? Wie oft reichte in der Nacht ein Blick nach oben, um mich zu vergewissern, dass das Leben tatsächlich magisch ist? Wie oft hat mich das Glitzern eines Sternes getröstet, als ich jemanden vermisst habe? Wie oft lag ich träumend verliebt im Gras und habe einfach die Weiten des Universums bewundert? Und all das sollte ich nun hergeben. Wofür?Mit einem Griff in der Badetasche hole ich mein Handtelefon heraus. Ich entsperre es und suche unter der Rubrik «Einstellungen» nach meiner Bildschirmzeit. Sie betrug diese Woche im Durchschnitt 5 Stunden und 24 Minuten pro Tag! Jede einzelne Minute davon, in der ich mir wie ein Junkie Mbits reingezogen habe und im Zombieland hergesurft bin – würde ich für die Erhaltung des Sternenhimmels hergeben.
Bibi Vaplan
Bibi Vaplan (geboren 1979) ist im Engadin aufgewachsen. Das Klavierstudium an der Zürcher Hochschule der Künste schloss sie 2005 mit dem Lehrdiplom ab. Schon während des Studiums komponierte sie für Filme und Theater (u.a. für Vitus). Stilistische Grenzen waren schon immer ein willkommener Grund, über den Zaun zu schauen. Bibi Vaplans Konzerte und ihre mediale Präsenz, zum Beispiel im «Kulturplatz», bei «Glanz und Gloria» oder auf dem Traktor unterwegs für «Jeder Rappen zählt!» machten die Engadiner Künstlerin schweizweit bekannt. Ihr neuestes Projekt, die «Popcorn-Opera» startete am 6. November 2020.
Diskutieren Sie mit
anmelden, um Kommentar zu schreiben