Foto: Pexels/Magda Ehlers
Neulich habe ich ein Wunder erlebt. Es geschah auf dem Spielplatz. Ich war mit meinem 14 Monate alten Sohn da. Als vorbildlicher Vater schaute ich aufmerksam zu, wie der Kleine Kieselsteine in sein Chübeli füllte. Auf mein Handy blickte ich ganz bewusst nie. Denn wenn ich dauernd ins Handy starrte, wie könnte ich später von ihm verlangen, dass er es nicht tun soll. Also steckte ich das Gerät weg. Da Mobiltelefone im vorderen Hosensack meist eine unvorteilhafte Ausbeulung auf dem Oberschenkel hinterlassen, entschied ich mich, das Gerät in der Gesässtasche verschwinden zu lassen. Eigenartig, dass die aktuelle Mode das Problem des Handyverstauens kaum berücksichtigt. Im Gegenteil: Die Hosen werden immer enger und die Handys immer grösser. Das passt nicht zusammen, ausser man trägt das Telefon mit Kette um den Hals oder ständig in der Hand, was wiederum die Handysucht fördert. Als ich jung war, ist Baggystyle in gewesen, übergrosse Hosen mit dem Schritt fast auf Knietiefe. Problemlos hätte man darin vier Tablets rumtragen können – zwei vorne, zwei hinten – ohne dass es aufgefallen wäre. Wieso das heute nicht mehr Mode ist? Auf dem Spielplatz war mein Sohn noch immer mit Schüfeli, Rächeli und Chübeli beschäftigt, während ich mich an einen Pingpongtisch lehnte, um ihm beim Spielen zuzuschauen. Plötzlich fing er an, die Kieselsteine nicht mehr ins Chübeli, sondern in den Mund zu schaufeln. Lass das, rief ich und sprang auf. Dabei musste mein Handy aus der Hosentasche gefallen sein, ohne dass ich es merkte. Erst als ich wieder zu Hause war und einen Anruf tätigen wollte, vermisste ich das Telefon. Wahrscheinlich hab ich’s irgendwo verlegt, dachte ich mir, wie so oft. Dann klingelte es plötzlich an der Haustüre. Hallo, rief ich durch die Türsprechanlage. Haben Sie Ihr Handy verloren? tönte es zurück. Ich öffnete die Tür und tatsächlich: Im Treppenhaus stand ein junges Paar mit meinem Handy. Die beiden waren gerade am Pingpongtisch vorbeigelaufen, als darauf das besitzerlose Telefon geklingelt hatte. Sie waren rangegangen, meine Frau hatte gerade angerufen und dem netten Paar so die Wohnadresse durchgeben können. Sie denken, dass sei ein glücklicher Zufall gewesen? Dass meine Frau genau zum richtigen Zeitpunkt angerufen hat? Nein, ich glaube lieber ans himmlische Fundbüro. Schliesslich ist es nicht das erste Mal gewesen, dass mir so ein „Zufall“ passiert ist. Ich erinnere ich mich noch gut, wie vor 25 Jahren ein italienisches Paar in Skischuhen an der Wohnungstür stand. Ich schaute es genauso verdutzt an, wie das junge Paar neulich. Die Skifahrer hatten mein Portemonnaie im Schnee gefunden, nicht an einem belebten Ort, sondern im freien Gelände abseits der Piste. Es war ein Ovomaltine-Portemonnaie und knallorange. Darum war es Ihnen aufgefallen. Oder als Redaktor bei der Engadiner Post. Bei Ausseneinsätzen hatte ich immer eine schwarze Mappe mit Unterlagen dabei. Nach einem Anlass in Celerina, ich glaube es war die Mineralienausstellung, liess ich die Mappe auf dem Dach meines Toyotas liegen. Dummerweise waren nicht nur Notizblätter darin, sondern auch ein Tabletcomputer. Später rief mich ein Lastwagenchauffeur an und brachte mir meine Mappe ins Büro. Kurz vor St. Moritz hatte er sie auf der Strasse liegen sehen, erzählte er. Die Mappe sah etwas ramponiert aus, doch alles war noch drin und selbst das Tablet funktionierte noch. Dinge aufs Auto zu legen, bevor man losfährt, ist echt eine dumme Angewohnheit. Meine Birkenstocks habe ich auch mal so liegenlassen. Der rechte klemmte nach der Fahrt noch unter der Dachträgerleiste. Den linken fand ich zwei Tage später, als ich nach Pontresina einbog und etwas Schuhähnliches auf der Strassenkreuzung sah. Dort lag tatsächlich mein Birkenstock. Er war von den vielen Autos ziemlich flachgedrückt, doch ich trage die Sandalen heute noch. Peinlich war, als mich eines Morgens die Polizei anrief: Guten Tag, hier ist die Kantonspolizei, lautet Ihr Nummernschuld GR 67****? Äh… ja, sagte ich und überlegte, was ich wohl angestellt hatte. Das Nummernschild liegt hier auf meinem Schreibtisch, bitte holen Sie es ab, sagte der Polizist weiter. Falls Sie sich nun nicht mehr auf die Strasse trauen, weil einer dauernd irgendwelche Sachen während der Fahrt verliert und auf wundersame Art und Weise wiederbekommt, kann ich Sie beruhigen. Der Toyota ist schon lange verschrottet und ich fahr mehrheitlich Skateboard.
Franco Furger
Franco Furger ist in Pontresina aufgewachsen und hat am Lyceum Alpinum Zuoz die Matura absolviert. Danach tourte er als Profi-Snowboarder um die Welt und liess sich zum Journalisten ausbilden. Er arbeitete als Medienkoordinator bei Swiss Ski, Redaktor bei der Engadiner Post und World Cup Organisator bei der Corvatsch AG. Im Sommer 2017 bloggte Franco über seine Erlebnisse als «Chamanna Segantini-Hüttenbub». Die Liebe führte ihn dann in die Stadt Luzern, wo er die Sonne und die Bündner Berge vermisste. Nun lebt er als freischaffender Texter mit Frau und Sohn in Laax.
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