Sonnenuntergang in der Toskana (Foto: z.Vfg)
Die letzten 10 Tage habe ich Ferien gemacht. 10 Tage lang habe ich mich schwimmend und lesend am Strand erholt. Zwei 1000er Puzzles habe ich in dieser Zeit zusammengesetzt. Ich liebe es zu guter Musik zu puzzeln. Regelmässig überkam mich das Bedürfnis, ein Foto von meinen wunderschönen Ferien zu machen, um es auf Social Media mit meinen Zeitgenossen zu teilen. Traurig liess ich jedoch bei jedem dieser Impulse das Handy fallen. Als Musikerin darf ich keine Fotos von meinen Ferien posten! Schon das ganze Jahr über muss ich gegen den Mythos ankämpfen, dass ich als Künstlerin sowieso nichts tue. Regelmässig muss ich mir anhören wie Ida, Herbert und Tamara sagen: «Du hast sowieso das ganze Jahr über Ferien!» Dieses Mythos hält sich hartnäckig. Die einzige logische Schlussfolgerung davon bleibt jedoch aus: Wenn Künstlerin zu sein bedeutet, das ganze Jahr über Ferien zu habenwieso sind nicht alle Künster und Künstlerinnen? Was die meisten bei der Erwähnung vom Ferien-Mythos wissen aber nicht sagen ist: Es hat seinen Preis Künstlerin zu sein. In meiner Jugend zum Beispiel habe ich stundenlang geübt, anstatt mit den anderen Kindern draussen zu spielen oder später mit Freundinnen Nägel zu lackieren. Studiert habe ich genauso lange wie ein Doktorverdiene aber meistens weitaus weniger. Nach dem Studium habe ich unterrichtet und jede freie Minute dafür geopfert, an meinen Songs zu feilen oder irgendein Instrument noch besser zu beherrschen. Dabei habe ich folgendes schnurstracks verpasst: einen Mann zu finden, heiraten, Kinder kriegen, Haus bauen. Zudem prasselt mir regelmässig verletzende Kritik um die Ohren ... oder eben Neid, wenn es um diesen verflixte Ferien-Mythos geht. Jaich habe als Künstlerin und Musikerin tatsächlich ein Privileg, welches ich um keine Pensionskasse, Ferienfoto, Doktorlohn oder Haus der Welt aufgeben würde. Es fängt auch mit dem Buchstaben F an und heisst nicht Ferien. Es ist Freiheit. Das neuste Lied von Bibi Vaplan "Crazy Popcorn 2"
Bibi Vaplan
Bibi Vaplan (geboren 1979) ist im Engadin aufgewachsen. Das Klavierstudium an der Zürcher Hochschule der Künste schloss sie 2005 mit dem Lehrdiplom ab. Schon während des Studiums komponierte sie für Filme und Theater (u.a. für Vitus). Stilistische Grenzen waren schon immer ein willkommener Grund, über den Zaun zu schauen. Bibi Vaplans Konzerte und ihre mediale Präsenz, zum Beispiel im «Kulturplatz», bei «Glanz und Gloria» oder auf dem Traktor unterwegs für «Jeder Rappen zählt!» machten die Engadiner Künstlerin schweizweit bekannt. Ihr neuestes Projekt, die «Popcorn-Opera» startete am 6. November 2020.
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