Foto: Valentina Baumann
Bevor ich einen Blogtext für die Engadiner Post schreibe, sehe ich mir immer erst an, was die Blogger vor mir verfasst haben – teilweise um etwas Neues zu lernen, teilweise als Inspiration, aber vor allem aus Neugierde. So sah ich ein Bild eines wunderbaren Sonnenuntergangs als Coverbild zu Bibi Vaplans «verflixten Ferien-Mythos». Und ich dachte mir, dass mich dieses Foto letztes Jahr zu dieser Zeit ein bisschen traurig gemacht hätte, weil ich dem Sommer bisher immer hinterher getrauert habe. Ich will nicht sagen, dass ich eine Herbst-Hasserin war – vor allem, weil ich das Wort «hassen» hasse. Aber der Herbst kam bei mir sicherlich an letzter Stelle, er kam sogar nach dem Winter und das soll etwas heissen.Ich fand schon immer, dass es mir im Engadin zu kalt ist. Meiner Meinung nach kommt der Sommer zu spät, die Berge schnappen einem viel zu früh die angenehme Abendsonne weg und zu schnell verabschiedet sich die sommerliche Wärme auch wieder. Und wenn ich dann jedes Jahr im Oktober meinen Kleiderschrank ausräumen musste, weil meine Sommerkleider und meine Winterpullis nicht in einen Schrank passten – ich bin mir immer noch nicht sicher, ob mein Schrank zu klein ist oder ob meine Klamottensammlung zu gross ist – war ich fast bereit, dem Sommer hinterher zu weinen, als hätte ich Trennungsängste. So viel zur Situation im letzten Jahr.Dieses Jahr allerdings – fragen Sie mich bitte nicht, woran das liegen mag – ist die Lage eine ganz andere und zwar folgende. Schon seit Mitte August freue ich mich auf das Fallen der Temperaturen, die grauen Wolken und den Regen. Vielleicht war mir der Zürcher Sommer einfach ein bisschen zu warm - ich weiss, mir kann man es auch nicht recht machen, aber haben Sie etwa gewusst, dass es in der Stadt im Hochsommer so unglaublich heiss werden kann? Vielleicht liegt es auch daran, dass ich immer ein schlechtes Gewissen habe, wenn ich nicht draussen bin, wenn das Wetter schön ist. Aber finden Sie es nicht auch etwas anstrengend, den ganzen Sommer lang fast jeden Tag draussen sein zu müssen, nur um dem Gewissen nachzugeben?Woran auch immer es liegen mag, aber der Herbst ist mir richtig ans Herz gewachsen. Ich assoziiere ihn nicht mehr mit eisigem Wind, der einem um die Ohren peitscht, sondern mit gemütlichen regnerischen Nachmittagen, an denen man mit einer Decke, einer Tasse Kaffee, einem Buch und einer Katze auf dem Schoss auf der Couch sitzen kann. Am besten ist dieses Gefühl, wenn man die Haare auch noch frisch gewaschen hat, irgendwo eine Kerze brennt und aus dem Ofen der Geruch von Zwetschgen-Kuchen mit Streuseln kommt. Finden Sie nicht auch?
Valentina Baumann
Valentina Baumann ist 19 Jahre alt und in Celerina aufgewachsen. Im Sommer 2021 hat sie die Matura am Lyceum Alpinum in Zuoz gemacht und ist danach für sechs Monate in die redaktionelle Welt der Engadiner Post eingetaucht. Das neugewonnene Wissen hat sie an die Universität Zürich mitgenommen, wo sie Medienforschung studiert. Obwohl sie vieles, ihre beiden Katzen zum Beispiel, im Engadin zurücklassen muss, freut sie sich über Ballettaufführungen, riesige Universitätsbibliotheken, die Bücherwurmherzen höherschlagen lassen, Katzen-Kaffees, doppelstöckige Züge, Trenchcoat tragende Leute und alles Neue, was ihr die Grossstadt bieten kann.
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