Foto: pexels/Tim Mossholder
Neulich war ich in der Bibliothek. Ich stöberte durch verschiedene Sachbücher, griff mir eines heraus und begann den Klappentext zu lesen. „Die Autor*innen möchten mit diesem Buch…“, stand einleitend geschrieben. Unterhalb des kurzen Textes waren Fotos der drei Autor*innen abgebildet. Die erste Person hatte einen Bart, die zweite lange Haare und weibliche Gesichtszüge, die dritte etwas kürzere Haare und ebenfalls sehr weibliche Gesichtszüge. Beim Betrachten der Fotos fragte ich mich, wer von den Dreien weiblich ist, wer männlich und wer divers geschlechtlich. Die Wortform Autor*innen bedeutet ja, dass es sich bei der Autorenschaft, um eine Personengruppe handelt mit mindestens drei verschiedenen Geschlechteridentitäten: männlich, weiblich und eben divers oder non-binär. Letzteres sind Menschen, die sich weder als weiblich noch als männlich bezeichnen. Für sie steht das Gendersternchen in der Mitte. Wer ist es bloss, der das Gendersternchen trägt, fragte eine unverschämte Neugier in mir. Ist es die bärtige Person oder die kurzhaarige Frau, die eben doch keine Frau ist? Plötzlich meldete sich mein selbstregulatorisches Ich: Meine Güte Franco, was tust du hier! Es ist doch egal, welches Geschlecht eine Person hat. Mein neugieriges Ich entgegnete dem: Aber warum wird die vielfältige Geschlechteridentität der drei Menschen, die dieses Buch geschrieben haben, mit Gendersternchen extra betont? Das will doch etwas heissen! Oder möchte einfach der herausgebende Buchverlag, der wahrscheinlich den Klappentext geschrieben hat, sich möglichst gendergerecht geben und auf keinen Fall jemanden diskriminieren. So wie es heutzutage fast alle Institutionen tun und vorsichtshalber immer ein Gendersternchen setzen, wenn von Personen die Rede ist. Egal, ob's Sinn ergibt oder nicht. Egal, ob eindeutig zwei Frauen und ein Mann gemeint sind. Darauf meldete sich mein sprachgenaues Ich: Übrigens: Die Wortschöpfung Autor*innen ist grammatikalisch falsch. Im Deutschen gibt es nämlich viele Personenbezeichnungen, wo man die weibliche Pluralform nicht einfach so nahtlos an die männliche reihen kann. Zum Beispiel bei: Experten – Expertinnen Ärzte – Ärztinnen Kollegen – Kolleginnen Autoren – Autorinnen Expert*innen, Ärzt*innen, Kolleg*innen und eben Autor*innen sind folglich grammatikalischer Unsinn. Oder anders gesagt: die männliche Form wird hier gedankenlos beschnitten und sprachlich verstümmelt. Aua! Da wir schon beim Thema waren, brauste auch noch mein besorgtes und zorniges Ich hervor. Denn kürzlich hatte ich auf einer Tourismuswebsite gelesen: „Auf kleine Festbesucher*innen warten ein Märlizelt und eine Hüpfburg.“ Sind Kleinkinder, also Vierjährige, tatsächlich schon so weit in ihrer Persönlichkeitsentwicklung, dass sie sich selbst als non-binär bezeichnen würden!? Bitte liebe Content-Manager/innen: Etwas Fingerspitzengefühl beim Gendern darf erwartet werden, denn das Sternchen bedeutet eben mehr als nur Buben und Mädchen. Manchmal ist auch ein simpler Schrägstrich oder einfach das generische Maskulinum völlig okay. Auch „Alle Teilnehmer und Teilnehmer*innen sind herzlich eingeladen mitzumachen“ habe ich schon gelesen. Denn doppelt gegendert hält besser, damit auch jeder und jede und jedes sich doch bitte für die Veranstaltung anmelden möge. Geliebte deutsche Sprache, was geschieht bloss mit dir? Ich stellte das Sachbuch schnell zurück ins Regal und lief weiter zu „Deutsche Klassiker“. Hier entspannte sich meine Seele wieder.
Franco Furger
Franco Furger ist in Pontresina aufgewachsen und hat am Lyceum Alpinum Zuoz die Matura absolviert. Danach tourte er als Profi-Snowboarder um die Welt und liess sich zum Journalisten ausbilden. Er arbeitete als Medienkoordinator bei Swiss Ski, Redaktor bei der Engadiner Post und World Cup Organisator bei der Corvatsch AG. Im Sommer 2017 bloggte Franco über seine Erlebnisse als «Chamanna Segantini-Hüttenbub». Die Liebe führte ihn dann in die Stadt Luzern, wo er die Sonne und die Bündner Berge vermisste. Nun lebt er als freischaffender Texter mit Frau und Sohn in Laax.
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