Steinpilze und Meeresfrüchte: Auf der Pizza "Mare e Monti" sind zwei Gegenpole friedlich vereint.
Was darf auf einem italienischen Kreuzfahrtschiff nie und nimmer fehlen? - Sie haben richtig geraten, liebe Leserinnen und Leser, es ist die Pizzeria! Denn angesichts der überbordenden Internationalität, die auf einem solchen schwimmenden Koloss vorherrscht, ist sie ein rettender Anker und ruhender Pool. 3500 Passagiere aus 162 Nationen und Bedienstete, die vorwiegend aus Asien stammen, schwirren auf 13 Decks, die über 20 Aufzüge und sechs Rolltreppen miteinander verbunden sind, aneinander vorbei. Da kann einem schnell schwindlig werden und die eigene Persönlichkeit etwas abhanden kommen. Identitätsstiftend wirkt da nicht nur die italienische Tricolore am Heck des Schiffsungetüms, sondern eben auch die Pizzeria. Wo echte Italiener im Einsatz stehen, die auch italienisch sprechen und somit Bündnern etwas Heimatfeeling vermitteln können. Fausto ist einer von zwei Pizzaioli, welche an diesem Abend Dienst haben und beim Vorbereiten seines Arbeitsumfelds vor dem Ofen nebenher auch etwas Zeit für einen Schwatz hat. «Da dovè sei?», fragt er mich beim Teigkneten. Er weiss mit meiner Antwort zwar nicht viel anzufangen und hat keine Ahnung, wo St. Moritz liegt, aber als ich ihm sage, dass ich in den Alpen lebe, fangen seine Augen zu leuchten an. «Aaaa…. le montagne, i ghiaccai, la neve….» fängt er zu schwärmen an. All das möchte der Kalabrese, der in einem kleinen Nest an der Meerenge von Messina geboren ist, auch mal sehen. Nicht nur Wasser und Meer, die er, seit er für diese Reederei arbeitet, tagaus tagein vor Augen hat. Ich hingegen mache ihm klar, dass ich aus der beengenden Gebirgslandschaft ausgebrochen bin, um eben diese Weite zu spüren, welche das Meer vermittelt. So wünsche sich eben jeder immer das, was er nicht habe, schlussfolgert der Pizzaiolo. Als ich ihn am Ende unseres kurzen philosophischen Exkurses über Sehnsuchtsorte noch frage, welche Pizza er mir besonders empfehlen könne, zögert Fausto keine Sekunde und antwortet mit einem Augenzwinkern: «La Mare e Monti».
Text: Marie-Claire Jur
PS
PS werden von den Redaktorinnen und Redaktoren der Engadiner Post / Posta Ladina geschrieben und erscheinen wöchentlich in der Samstagsausgabe der EP/PL.
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