13.02.2024 Franco Furger 4 min
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Neulich war ich in einem Skigebiet, wo es nur Bügellifte gibt. Da möglicherweise nicht jeder Leser und jede Leserin aus eigener Erfahrung weiss, was ein Bügellift ist, hier eine kurze Definition: Bügellifte sind Transportanlagen für Skifahrer und Snowboarder. Das Besondere: Man schwebt nicht irgendwie den Berg hoch, sondern bleibt auf dem Boden, respektive auf dem Lifttrassee und wird von einem Bügel gezogen, der Platz für zwei Personen bietet. Einfach, praktisch und auch eher gemächlich im Vergleich zu Sesselliften.

Auf der langen Fahrt kamen mir Erinnerungen an meine Anfangszeiten als Snowboarder hoch. Damals Ende der 80er-Jahre stellte der Bügellift eine echte Herausforderung dar, da die Liftspur meist mit tiefen Rillen durchzogen war, fast wie eine Langlaufloipe, welche die Skifahrer mit ihren damals noch dünnen Latten sicher nach oben führte. Ich jedoch drohte mit meinem breiten Board ständig anzuhängen, insbesondere wenn das Gelände seitlich abfiel wie am Trais Fluors. Darum schaffte ich es nicht immer auf meinen Beinen zu bleiben. Bäuchlings auf dem Schnee rutschend krallte ich mich dann an den Bügel und versuchte mich wieder aufzurichten. Doch meist liess die Kraft vorher nach; und so sass ich dumm da und schaute den Skifahrern mit ihren Bügeln nach, die fest und sicher am Hintern klemmten. 

Seither hat sich in den Bergen vieles verändert. Snowboarden hat sich vom boomenden Trendsport zum gewöhnlichen Wintersport entwickelt. Gemächlich wedelnde Skifahrer haben Platz gemacht für weite Bögen ziehende Carver. Schnee fällt nicht mehr nur als Geschenk vom Himmel, sondern ist auch zur produzierbaren Ware geworden. Und wo damals Bügellifte standen, führen heute vielerorts Sessellifte auf den Berg. 

Sessellifte haben natürlich ihre Vorteile: Sie sind schnell und bequem. Du kannst dich auf ihnen ausruhen und sogar hinlegen, falls du alleine bist. Und einige schützen dich mit Plexiglaskuppeln vor Sturm und Schnee. Aber irgendwie ist es nicht das Gleiche, wenn man den Berg ohne jede Anstrengung erklimmt. Sesselbahnen geben dir nicht das berauschende Gefühl, das ein Bergsteiger erlebt, wenn er den unbezwingbar erscheinenden Gipfel erreicht. Ein Bügellift schon. Zumindest hat es sich als ungeübter Snowboarder ein wenig so angefühlt. Je steiler und länger der Lift, desto befreiender war es, endlich oben anzukommen, und umso grösser war die Freude auf die bevorstehende Abfahrt.

Ich mag Bügellifte. Denn ich lernte, sie zu beherrschen, was mich in jungen Jahren zu manch leichtsinnigen Kunsttücken verleiten lies. Während der Fahrt gegenseitig die Position am Bügel zu wechseln, war noch eine der leichteren Übungen. Das Freundliche am Bügellift: Im besten Fall bekommst du den Bügel von einem braungebrannten und bärtigen Mann überreicht, der seinen Winterberuf als Skiliftbügelgeber mit Stolz ausführt. Bügellifte sind im wahrsten Sinne des Wortes bodenständig. Ihre Technologie ist simpel, sie sind günstig im Unterhalt und praktisch unverwüstlich. Die abgehobenen Sessellifte dagegen sind teuer, windanfällig und werden meist von trübseligen Gesichtern überwacht, die den ganzen Tag in einem Betonraum sitzen müssen, während die Skigäste draussen die Sonne geniessen.

Trotz vieler Vorteile gehören Bügellifte zur bedrohten Bergspezies. Ihre schlimmsten Feinde sind der Klimawandel, Bergbahninvestoren und bequemer werdende Skigäste. Laut dem Branchenverband Seilbahnen Schweiz rattern im Winter rund 740 Schlepplifte (mit Bügel oder Tellerli) in den Schweizer Bergen – falls denn alle in Betrieb sind. Doch leider stehen immer mehr Schlepplifte still, da sie oft in tiefergelegenen Regionen stehen, wo kaum noch Schnee liegt. In den grossen Skigebieten hingegen dominieren die Sessellifte. Immerhin, Schlepplifte sind nach wie vor die zahlenmässig grösste Gattung der Skiliftanlagen (Sessellifte stehen nur etwa halb so viele in der Landschaft herum); doch jedes Jahr werden es ein paar weniger, ersetzt durch einen Sessellift oder für immer abgestellt, weil der Schnee fehlt oder zu wenige Gäste kommen.

Vor mir liegt nur noch der Gipfelhang, der Bügel drückt an die Innenseite des Oberschenkels und ich spüre ein leichtes Ziehen in der Muskulatur. Ich bin froh, den Bügel loslassen zu können. Was für ein schöner Ausblick hier oben. Und auch die Piste sieht super aus und ist praktisch menschenleer. Ich fahre los und das Gefühl ist fast wie damals vor 35 Jahren, nur in der Hüfte bin ich wohl etwas steifer geworden. Danke Skilifte Tschappina Heinzenberg für den herrlichen Tag und die Pflege der schönen Bügellifte.

Franco Furger

Franco Furger ist in Pontresina aufgewachsen und hat am Lyceum Alpinum Zuoz die Matura absolviert. Danach tourte er als Profi-Snowboarder um die Welt und liess sich zum Journalisten ausbilden. Er arbeitete als Medienkoordinator bei Swiss Ski, Redaktor bei der Engadiner Post und World Cup Organisator bei der Corvatsch AG. Im Sommer 2017 bloggte Franco über seine Erlebnisse als «Chamanna Segantini-Hüttenbub». Die Liebe führte ihn dann in die Stadt Luzern, wo er die Sonne und die Bündner Berge vermisste. Nun lebt er als freischaffender Texter mit Frau und Sohn in Laax.