Foto: Romana Ganzoni
„Wir werden nicht jünger.“ Diesen Satz und seine Varianten höre ich jeden zweiten Tag. Das Gegenüber zuckt angesichts meiner sogenannten „Frozen Shoulder“ mit seinen gesunden Schultern und schenkt mir einen komplizenhaft resignierten Blick, eine Art nicht ausgeschenkter Drink zum Anstossen auf das „Willkommen-im-Club“. Ich aber möchte nicht Member werden. Ich möchte alle Übertreibungen weiter pflegen, die zu meiner immobilen Schulter führten. Wer übertreibt, hat kein Alter.
Ich schleiche asymmetrisch umher, ich bin der Alpen-Quasimodo. Lustig ist das nicht. Sieht auch nicht gut aus. Trotzdem, meine Einsicht bleibt gering. Ich sehe nicht ein, weshalb ich mich dem unterwerfen sollte, was eine Zahl scheinbar von mir verlangt, die im „Blick“ oder in „20 Minuten“ hinter meinem Namen stehen würde, Romana G. (49).
Eine Zahl über 40, gerade hinter einem Frauennamen, ruft wohl zur Bescheidenheit auf. Warum? Weil älter werden etwas Obszönes ist? Etwas, das wir besser verschweigen? In das wir uns möglichst elegant schicken sollten, auf alle möglichen Beschwerden harrend, die da kommen werden, unweigerlich. Damit die Repressiven, die uns schon immer mit ihrer biederen Moral zügeln wollten, endlich Zugriff haben? Mit jedem Jahr erfolgreicher, bis wir uns am Rollator nicht mehr davon machen können?
Wer vorhat, Ruhe zu geben, weil wir „nicht jünger werden“, soll das tun. Aber bitte verlangt nicht von denen, die niemals Ruhe geben werden, es auch so zu halten. Und, Leute, wenn wir nicht mehr sind, werden euch unsere Töchter und Enkelinnen die Hölle heiss machen. Lasst eure Hoffnung fahren!
Wie viele Male habe ich gelesen, Frauen ab 40 seien unsichtbar. Für wen? Weil die Bauarbeiter nicht mehr pfeifen, ist man noch lange nicht unsichtbar. Mir blieb die Erfahrung, dass alle Männer in Ohnmacht fallen, wenn ich den Raum betrete, auch mit 24 vorenthalten. Was ich natürlich anklage. Aber ich war auch nicht erstaunt, dass das mit 40 immer noch nicht passierte. Immerhin kam einmal einer auf mich zu und fragte, was ich so mache im Leben. Es war schön, sagen zu können: Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll.
In meiner Kindheit und Jugend war ich dauernd lädiert. Spiel und Sport liessen mich schreien und humpeln am Laufmeter. Ich hing wahrscheinlich häufiger am Elektro-Massage-Gerät beim Hausarzt, als ich Französischstunden besuchte (als der junge Assistenzarzt aushalf, auch gerne ohne akutes Leiden). Und es kam mir kein Mensch mit dem Alter. Der Hinweis ist neu. Im Sinne von: Mit dir ist bald Schluss, du bist nichts Besseres. Dass ich nichts Besseres bin, wusste ich schon vorher. Schluss ist deshalb noch lange nicht.
Ich schleiche asymmetrisch umher, ich bin der Alpen-Quasimodo. Lustig ist das nicht. Sieht auch nicht gut aus. Trotzdem, meine Einsicht bleibt gering. Ich sehe nicht ein, weshalb ich mich dem unterwerfen sollte, was eine Zahl scheinbar von mir verlangt, die im „Blick“ oder in „20 Minuten“ hinter meinem Namen stehen würde, Romana G. (49).
Eine Zahl über 40, gerade hinter einem Frauennamen, ruft wohl zur Bescheidenheit auf. Warum? Weil älter werden etwas Obszönes ist? Etwas, das wir besser verschweigen? In das wir uns möglichst elegant schicken sollten, auf alle möglichen Beschwerden harrend, die da kommen werden, unweigerlich. Damit die Repressiven, die uns schon immer mit ihrer biederen Moral zügeln wollten, endlich Zugriff haben? Mit jedem Jahr erfolgreicher, bis wir uns am Rollator nicht mehr davon machen können?
Wer vorhat, Ruhe zu geben, weil wir „nicht jünger werden“, soll das tun. Aber bitte verlangt nicht von denen, die niemals Ruhe geben werden, es auch so zu halten. Und, Leute, wenn wir nicht mehr sind, werden euch unsere Töchter und Enkelinnen die Hölle heiss machen. Lasst eure Hoffnung fahren!
Wie viele Male habe ich gelesen, Frauen ab 40 seien unsichtbar. Für wen? Weil die Bauarbeiter nicht mehr pfeifen, ist man noch lange nicht unsichtbar. Mir blieb die Erfahrung, dass alle Männer in Ohnmacht fallen, wenn ich den Raum betrete, auch mit 24 vorenthalten. Was ich natürlich anklage. Aber ich war auch nicht erstaunt, dass das mit 40 immer noch nicht passierte. Immerhin kam einmal einer auf mich zu und fragte, was ich so mache im Leben. Es war schön, sagen zu können: Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll.
In meiner Kindheit und Jugend war ich dauernd lädiert. Spiel und Sport liessen mich schreien und humpeln am Laufmeter. Ich hing wahrscheinlich häufiger am Elektro-Massage-Gerät beim Hausarzt, als ich Französischstunden besuchte (als der junge Assistenzarzt aushalf, auch gerne ohne akutes Leiden). Und es kam mir kein Mensch mit dem Alter. Der Hinweis ist neu. Im Sinne von: Mit dir ist bald Schluss, du bist nichts Besseres. Dass ich nichts Besseres bin, wusste ich schon vorher. Schluss ist deshalb noch lange nicht.
Romana Ganzoni
Romana Ganzoni (*1967, Scuol) ist Autorin und wohnt in Celerina/Schlarigna. Nach 20 Jahren als Gymnasiallehrerin schreibt sie seit 2013 Romane, Erzählungen, Gedichte, Essays, Kolumnen sowie für Radio und Bühne. Sie wurde für den Bachmannpreis nominiert, erhielt den 1. Preis beim Essay-Wettbewerb des Berner Bunds und ist Trägerin des Bündner Literaturpreises.
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