24.09.2024 Bibi Vaplan 2 min
Foto: @miriamkünzli

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«Du hast wahrhaftig ein sehr schönes Leben», sagen sie immer wieder im Chor. Peter, Cecilia, Ferdinand und auch Tabea. 
 
«Du hast wahrhaftig ein sehr schönes Leben», sagen sie wiederholt. Der Klang in ihren Stimmen aber macht deutlich: Es ist keine wohlwollende Feststellung, welche Empathie und Freude ausdrückt. Es ist ein knallharter Vorwurf. Ohne mich lange darüber zu wundern, weiss ich genau was mir vorgeworfen wird: Ich habe ein sehr schönes Leben, weil ich als Künstlerin frei bin. Ich bin nicht an einem Ort gebunden. Ich kann mich zudem kreativ ausdrücken und entfalten. Ich muss nicht täglich um 6 Uhr in der Früh aufstehen um Brot zu verkaufen wie Anna Barbla. 
 
Als mir diese Tatsache die ersten 42 Male indirekt vorgeworfen wurde, hatte ich tatsächlich ein schlechtes Gewissen. 

Ab dem 43igsten Vorwurf fing ich an, mich zu wehren: Ich habe Peter, Cecilia, Ferdinand und auch Tabea erklärt, dass Ja, es scheint, als sei mein Leben viel flexibler als das vom Kaminfeger Armin. Und Ja, ich geniesse viel Freiheiten und mein Leben ist gefüllt mit Abenteuer und Magie. Aber all das hat seinen Preis und schlussendlich jawohl, stehe es jedem frei auch diesen Weg zu gehen. Das ist eine Entscheidung und kein Privileg! 
 
Seit dem 88. Vorwurf bin ich cooler geworden. «Du hast wahrhaftig ein sehr schönes Leben», sagen sie nämlich immer noch im Chor und ich nehme es nicht mehr so persönlich. Mittlerweile antworte ich mit einem Schmunzeln: «Ja, gell, ich finde auch. Und dein Leben, ist es auch schön?»

Bibi Vaplan

Bibi Vaplan (geboren 1979) ist im Engadin aufgewachsen. Das Klavierstudium an der Zürcher Hochschule der Künste schloss sie 2005 mit dem Lehrdiplom ab. Schon während des Studiums komponierte sie für Filme und Theater (u.a. für Vitus). Stilistische Grenzen waren schon immer ein willkommener Grund, über den Zaun zu schauen. Bibi Vaplans Konzerte und ihre mediale Präsenz, zum Beispiel im «Kulturplatz», bei «Glanz und Gloria» oder auf dem Traktor unterwegs für «Jeder Rappen zählt!» machten die Engadiner Künstlerin schweizweit bekannt. Ihr neuestes Projekt, die «Popcorn-Opera» startete am 6. November 2020.