Im Transitbereich der Möglichkeiten... Foto: Bettina Gugger
Die Bank ist ein Transitbereich, wo sich Wirklichkeiten überschneiden. In der Tat ist sowohl die Parkbank als auch das Finanzinstitut eine Art Vakuum, indem Potenziale und Möglichkeiten lagern, Tausende, Millionen und Milliarden von etwaigen Kontakten, Begegnungen, Geschäftsabschlüssen, Firmengründungen, Insolvenzen, Liebesschwüren und Scheidungen.
Dieses Homonym – ein Begriff der für verschiedene Bedeutungen steht – dürfte also nicht zufällig, mangels Vorstellungskraft der Sprechenden, zu Stande gekommen sein. Im Französischen steht «La banque» für das Finanzinstitut und «le banc» für die Parkbank. Das Vallader unterscheidet zwischen «la banca» und «il banc». Auch das Englische hat die deutsche Bank für die Institution, die Geld verleiht, verwaltet und vor allem anlegt, übernommen. Die «bench» fällt allerdings etwas aus dem Rahmen, wobei «benchmark» für Vergleichsmassstab und Standard steht. Und ungefragt spült mir mein E-Mail-Account Werbung der spanischen Banco Santander rein. Die erinnert mich wiederum an den Salamander, der sich im Park und der freien Natur wohlwühlt.
Hätte ich einen persönlichen Bankberater, was ich angesichts meiner bescheidenen Verhältnisse nicht habe, so bin ich mir sicher, hätten diese Gespräche die Aura des Gewichtigen. Ich würde meinem Bankberater von meinen Plänen und Bedürfnissen erzählen, davon, was mir in 20, 30, ja, in 40 Jahren wichtig sein wird, worauf ich sozusagen hin sparen wolle. Ich würde ihm von meinen Werten erzählen, dass ich auf keinen Fall in globale Konzerne investiere, die Menschen ausbeuten und so weiter und so fort. Er würde wissen, dass ich finanziell keine Risiken in Kauf nehme, mein Geld aber gerne für Reisen, Schuhe und andere schöne Dinge ausgebe, dass ich das Bargeld verteidige, obwohl ich doch meist mit Karte bezahle. Kurz und gut: Im Laufe der Jahre würden mein Bankberater und ich uns auf eine intime Art kennen, ohne uns jemals nahe zu sein.
Für unser Lebensglück entscheidender sind vermutlich die Gespräche auf Parkbänken. In langen Beziehungen und Freundschaften schweigt man zusammen, während der Blick über die Landschaft streift oder dem emsigen Treiben in einer Grossstadt folgt. Wenn man sich gerade erst kennenlernt, ist dies meist der Augenblick, wenn erste Privatheiten ausgetauscht und bereits kleine Geständnisse gemacht werden: Sind es nicht diese kleinen Vertraulichkeiten, die eine Freundschaft erst zementieren? Im Prinzip gleicht das Knüpfen von Freundschaften einem beständigen Tauschgeschäft; Vertraulichkeit gegen Vertraulichkeit. Wer sich selbst nicht öffnet, wird irgendwann als Freunschaftskandidat ausscheiden.
Interessant wird es, wenn Sie mit Ihrem Bankberater auf einer Bank sitzen, rein zufällig, weil Sie beide auf den gleichen Zug warten.
Interessant wird es, wenn Sie mit Ihrem Bankberater auf einer Bank sitzen, rein zufällig, weil Sie beide auf den gleichen Zug warten.
Auf der Parkbank entdeckt man Gemeinsamkeiten und beginnt einen gemeinsamen Vorstellungsraum zu kreieren, der einzigartig ist. Nicht zufällig sind Parkbänke meist auch der Ort, wo sich Jugendliche fernab des Elternhauses treffen, um sich auszutauschen; ein Ort der möglichen Zukunft, ein Ort, der zuhause und zugleich überall auf der Welt sein kann, ihr erster eigener Raum, den sie sich nicht erst verdienen müssen.
Ein Gespräch auf einer Parkbank birgt das Potenzial, unserem Lebensglück etwas hinzuzufügen, wobei eine gewisse Unverbindlichkeit bestehen bleibt. Man kann einfach aufstehen und gehen.
Bettina Gugger
Bettina Gugger verbrachte die letzten Jahre im Engadin, zuletzt war sie Redaktorin bei der «Engadiner Post/Posta Ladina». Nun hat es sie wieder einmal ins Unterland verschlagen, wo sie für den «Anzeiger Region Bern» über das kulturelle Leben Berns berichtet. 2018 erschien ihr Erzählband «Ministerium der Liebe». 2020 folgte «Magnetfeld der Tauben». Im Rahmen eines Stipendienaufenthaltes in Klosters entstand der Kalender «Kunst BERGen», der 24 literarische Texte über Kunst versammelt. Auf bettinagugger.ch veröffentlich sie regelmässig kurze lyrische Prosatexte und einen Podcast für praktische Lebensfragen.
Diskutieren Sie mit
Login, um Kommentar zu schreiben