Das eidgenössische Zweitwohnungsgesetz hat ein Problem gelöst und ein neues geschaffen. So hat es kürzlich ein Raumplanungsjurist auf den Punkt gebracht. Erfüllt ist die zentrale Forderung der nationalen Zweitwohnungsinitiative, dass auf der grünen Wiese keine Zweitwohnungen mehr gebaut werden dürfen. Das bedeutet, dass die nach wie vor sehr grosse Nachfrage nach Ferienwohnungen nur noch im bebauten Siedlungsraum abgedeckt werden kann, was wiederum zur Folge hat, dass eine hohe Nachfrage auf ein beschränktes Angebot trifft. Das treibt die Preise in die Höhe und macht die Umnutzung von altrechtlichen Wohnungen zu reinen Feriendomizilen, sprich Zweitwohnungen, für die Verkäufer äusserst attraktiv. Das Nachsehen haben die Leute, die ganzjährig hier wohnen und arbeiten. Sie finden, wenn überhaupt, nur mit grösster Mühe bezahlbaren Wohnraum.

Ein besonders stossendes Beispiel ist die Geschichte rund um die Chesa Faratscha in Celerina. Trotzdem sollte diese nun nicht als exemplarisch für alle ähnlichen Fälle herangezogen werden. Es gibt bei dieser Thematik nicht einfach Schwarz und Weiss, gut und böse. Ja, Partikularinteressen stehen bei der Argumentation oft im Vordergrund. Nur: Ist das nicht einfach menschlich, ist sich nicht jeder selbst am nächsten? Vielleicht tut der Blick in den Spiegel gut und die Frage, wie man wohl handeln würde, wenn man auf der anderen Seite stünde – als Besitzer einer Wohnung. 

 

Über 90 Prozent nicht geschützt

Der Umnutzungsdruck auf die altrechtlichen Wohnungen ist enorm. Und genau diese sind mit dem Zweitwohnungsgesetz nicht geschützt. Artikel 11 im Gesetz sagt, dass Wohnungen, die vor der Annahme der Zweitwohnungsinitiative im März 2011 gebaut oder bewilligt waren – eben sogenannt altrechtliche Wohnungen – in der Art der Wohnnutzung frei sind. Wenn man sich vor Augen führt, dass der Anteil dieser Wohnungen in vielen Engadiner Gemeinden bei über 90 Prozent liegt, wird das Problem offensichtlich. Das war wohl auch dem nationalen Parlament bewusst, denn nur einen Gesetzesartikel weiter steht – wohl in «weiser» Voraussicht geschrieben – dass bei Bedarf Kantone und Gemeinden Massnahmen ergreifen können, um unerwünschte Entwicklungen zu verhindern. 

 

Was bringt die Partizipation?

In Sils hat vor Wochenfrist ein Diskussionsabend zu diesem Thema stattgefunden, in Celerina am Montag eine Gemeindeversammlung. Beide Gemeinden setzen auf Partizipation. Sils hat die Bevölkerung von Anfang an mit ins Boot geholt, Celerina hat sein Wohnbauförderungsgesetz zurückgezogen und will nun nachträglich eine Vernehmlassung durchführen. Diese Art der Mitwirkung ist gut gemeint, bringt bei diesem komplexen und vielschichtigen Thema aber nur wenig. Aus der Vernehmlassung dürfen gut gemeinte Lösungsvorschläge erwartet werden, die aufgrund übergeordneter Gesetzgebung oft nicht umsetzbar sind oder so viel Angriffsfläche bieten, dass die Juristen bereits die «Messer wetzen». Vor allem dann, wenn in den altrechtlichen Bestand eingegriffen wird – ein Ansatz, um das Problem anzugehen. Der zweite – weniger umstrittene – ist die aktive Wohnbauförderung mit dem Bau neuer Wohnungen. Aber auch dieser birgt Probleme. Zum einen verfügen nur noch wenige Gemeinden über Bauland, zum anderen entleeren sich die Dorfkerne, und die Zersiedelung schreitet weiter voran. 

 

Gemeinde, die vorangeht

Eine Kombination der beiden Ansätze kann zielführend sein. Der Erlass der Planungszonen in Sils und Celerina ist richtig, weil er den zeitlichen Druck mindert. Letztlich aber braucht es eine Gemeinde, die einen griffigen Gesetzesvorschlag zur Abstimmung bringt. Auch wenn die Gefahr zu scheitern gross ist. Schon bei der Gemeindeversammlung oder später auf dem Rechtsweg. Darum bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass es die eine Lösung alleine nicht gibt.

Autor: Reto Stifel