Geringe Niederschlagsmengen in den Schweizer Alpen im vergangenen Winter, fehlendes Gas in Deutschland und 30 von 56 Kernkraftwerken in Frankreich, die derzeit in Revision sind und nicht produzieren: Es sind verschiedene Faktoren, die dazu führen könnten, dass der Strom im kommenden Winter knapp wird. Diese Ausgangslage ist nicht neu, und sowohl auf Stufe Bund wie auch auf Stufe Kanton laufen Vorbereitungsarbeiten, um bei einer möglichen Strom- und Gasmangellage nicht auf dem linken Fuss erwischt zu werden. 

 

Eine Eventualplanung

Der Kanton schätzt das Risiko einer Winterstromlücke in der Schweiz als real und nicht unwahrscheinlich ein. «Darum ist eine Vorsorgeplanung nötig», wurde an einer Medienkonferenz von gestern Mittwoch in Chur betont. Konkret wird der Teilstab «Sicherheit Energieversorgung» eingesetzt. Dieser hat den Auftrag, die Eventualplanung anzugehen. Dabei soll der Fokus darauf gerichtet werden, die Funktionsfähigkeit der sicherheits- und bevölkerungsschutzrelevanten Institutionen zu sichern. 

Wie die Regierung am Mittwoch weiter sagte, werden systemkritische Infrastrukturen von Abschaltungen ausgenommen, das können zum Beispiel Blaulichtorganisationen oder Spitäler sein. Ziel der Eventualplanung sei es, vorhandene Lücken zu schliessen, die Zusammenarbeit zu gewährleisten und die Öffentlichkeit mit einzubeziehen. Weiter wurde betont, dass man bis jetzt schon einiges unternommen habe. Seit 2014 laufen Vorsorgeplanungen für Strommangel bei Blackouts, Notstromaggregate wurden ebenso angeschafft wie Grossdieselloks durch die RhB. Auch verfüge die Kantonspolizei über eine Notstromversorgung. 

Der Teilstab «Sicherheit Energieversorgung» ist Teil des kantonalen Führungsstabes unter Führung des Amts für Militär und Zivilschutz. Die fachliche Leitung ist beim Amt für Energie und Verkehr angesiedelt.

 

Der Bund ist im Lead

Die Hauptverantwortung für die Bewältigung einer möglichen Strom- und/oder Gasmangellage trägt der Bund. Die nationale Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen (OSTRAL) wird durch das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) eingesetzt und beauftragt. 

Die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom) ist in Fragen betreffend die Stromversorgung und die Strommarktentwicklung involviert. «Der Teilstab ‹Sicherheit Energieversorgung› hat die durch den Bund und seine Gremien vorgegebenen Aufgaben auf kantonaler Ebene zu koordinieren und in Zusammenarbeit mit der Energiebranche, den Gemeinden und weiteren Beteiligten kantonal umzusetzen», heisst es in einer Medienmitteilung.

Anlässlich der Medienorientierung wurde darauf verwiesen, dass der Information eine Schlüsselrolle zukommt. Um eine schnelle Information von Bevölkerung und Wirtschaft sicherzustellen, ist – analog der CovidInformationsplattform – eine Kommunikationsplattform im Aufbau. Diese soll auf einen späteren Zeitpunkt hin aufgeschaltet und betrieben werden.

 

Versorgung zur Zeit gewährleistet

Die beiden Regierungsräte Mario Cavigelli und Peter Peyer, Martin Bühler als Leiter des Amtes für Militär und Zivilschutz und Thomas Schmid, Leiter beim Amt für Energie und Verkehr betonten, dass die Versorgung mit Strom und Gas in Graubünden derzeit regulär gewährleistet ist. Beim Strom ist der Kanton in das schweizerische Versorgungsnetz eingebunden. Der Energieverbrauch durch Gas liegt im Kanton bei vier Prozent, in der Schweiz liegt der Anteil bei 15 Prozent. Allerdings könnte sich die Versorgungslage verschärfen: Dann nämlich, wenn in Europa das Gas weiter fehlt, Frankreich die Kernkraft nicht hochfahren kann und die Trockenheit in der Schweiz anhält. 

In der Schweiz gibt es die «Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen» (Ostral). Diese hat einen Plan erarbeitet, sollten die Stromlücken Tatsache werden. In einem ersten Schritt würden Sparappelle an die Bevölkerung gerichtet. Genügt das nicht, könnte die Verteilung der Energie kontingentiert werden oder – das wäre der letzte Schritt – es käme zu temporären Abschaltungen des Stromnetzes.

 

Bergbahnen stehen nicht still

Bei den Verbrauchseinschränkungen wurden in den letzten Wochen immer wieder die Bergbahnen genannt, welche abgestellt werden könnten. Wie der Bündner Energiedirektor Mario Cavigelli in einem Interview gegenüber der «Südostschweiz» gesagt hat, werden die Bergbahnen und Skilifte nicht abgestellt. Das sei seitens des Bundes schlecht kommuniziert worden. Markus Meili, Vorstandsmitglied des Oberengadiner Bergbahnenpools hatte vor einem Monat gegenüber dieser Zeitung darauf hingewiesen, dass der Stromverbrauch der Bergbahnen im Vergleich zu Eishallen, Schwimmbädern oder Eventhallen marginal sei. Wenn Bahnen und Skilifte nicht laufen könnten, wäre das gemäss Meili unverhältnismässig. 

Autor: Reto Stifel

Foto: Jon Duschletta