Obwohl er eine 30-stündige Anreise – der Mexikaner lebt seit dem Sommer in Tokio – hinter sich hatte, war Ivan Santiago alles andere als müde. Zum Einspielen für sein persönliches Jahreshighlight, das Pondhockey-Turnier, lief sich der «Hombre» mit seinem auf der ganzen Welt zusammengewürfelten Team auf dem Stazersee ein. «Wir haben uns für das erste Spiel ganze vier Stunden lang auf dem See warmgelaufen», verriet Santiago kurz vor Turnierbeginn. Und das war auch gut so. Denn auf den Courts des Curling-Eises auf Mulets in Silvaplana, die Eisbeschaffenheit auf dem Lej Suot liess zum grossen Bedauern Santiagos dort keine Spiele zu, blies eine garstige Brise. Und Santiagos Truppe, dieses Jahr endlich in Bestbesetzung antretend, hatte als Träger der letztjährigen «Roten Laterne» erwartungsgemäss auch auf dem Eis viel zu tun. Aber die internationale Truppe überraschte im ersten Spiel die Zuschauer, sich selbst und den Gegner. Denn Ivan Santiago, dem Briten Richard Romain, dem Amerikaner Eddie Andrade, den Deutschen, Uwe Milde und Tina Beeck und dem Schweizer Patrick Neerach (ihn hatte Santiago vor zwölf Jahren in … Vancouver kennengelernt) gelangen verblüffende zwölf Tore. Ganz klar eine Folge der Verstärkungen im Team «World Rink Hockey». Vorne sorgte namentlich Neuzugang Andrade aus New York für ordentlich Wirbel und Tore. 

Weil das via Facebook zusammengestellte Team aber immer noch grosse Schwächen in der Defensive zeigte, mussten am Ende der ersten Partie dennoch 20 Gegentreffer auf dem Match-Blatt notiert werden. Kein guter Start für die Letzten des Vorjahres. Ihr Ziel war nämlich keineswegs, sich wieder die «Rote Laterne» zu holen. Der Chefkoch aus London, Richard Romain, gab sich nach der Pleite aber dennoch selbstbewusst und sagte: «Das nächste Spiel gegen das Team Aycane wollen wir gewinnen.» 

Allerdings war dem Briten da noch nicht so ganz klar, wer für das Team eines Schweizer Eishocky-Ausrüsters auf dem Eis stehen würde. Allen voran nämlich einer der zum exklusiven Double-Triple-Club gehört: Der 49-jährige Schwede Peter Forsberg, Übername «Peter der Grosse», hat neben Wjatscheslaw Fetissow und Igor Larionow aus dem legendären Russen-Fünfer als Einziger weltweit zweimal den Stanley Cup, zweimal den Weltmeistertitel und zweimal den Olympiasieg geholt. Der schwedischen Hockey-Legende standen zudem unter anderen Nati-Trainer Patrick Fischer, der ehemalige SCB-Haudegen Thomas «Rüfi» Rüfenacht und die Puschlaver Nationalspielerin Evelina Raselli zur Seite. 

Bei diesen Namen kann einem als Gegner das Herz schon mal in die Hose rutschen. «Wow», sagte denn auch Team-Captain Santiago, «was für ein Team! Aber egal wie das Spiel ausgehen wird, wir wollen und werden viel Spass haben.»

Koch Romain ruderte etwas zurück: «Das könnte ziemlich schwierig werden.» «Aber vielleicht unterschätzen die Cracks uns ein wenig, und Forsberg ist ja schliesslich auch nicht mehr der Jüngste,» machte dafür Eddie Andrade sich und seinem Team etwas Mut.

 

Einst der Weltbeste

Nun, Spass hatten dann allerdings eher die zahlreichen Fans und die Cracks von «Aycane». Forsberg zeigte elf Jahre nach seinem Rücktritt eindrücklich, warum er einst als bester Spieler der Welt galt. Und der zurzeit vereinslose «Rüfi» spielte mit derart viel Tempo, dass man meinen konnte, er spiele in Silvaplana um einen neuen Vertrag. 

Es wurden lange 24 Minuten für Santiago und seine Team-Mates. Sehr lange. Am Ende war auf dem Blatt des Torrichters kaum noch Platz. Ganze 27 mal klingelte es in ihrem kleinen Pondhockey-Tor. Die Aussenseiter haben sich aber teuer verkauft und zur Freude der Fans ihrerseits beachtliche sieben Mal ins Schwarze getroffen. 

«Weisst du, mein Körper ist zwar schon etwas in die Jahre gekommen, aber der Kopf will halt immer noch Tore schiessen und gewinnen», entschuldigte sich Forsberg nach dem Spiel lachend bei Santiago. «Aber ihr habt gar nicht so schlecht gespielt. Ich hatte viel Vergnügen auf dem Eis.» 

Spass hatte trotz der krachenden Pleite auch Santiago. «Es war toll, einmal gegen solch grosse Spieler spielen zu dürfen.» Sowas sei vermutlich nur beim Pondhockey im Engadin möglich. «Schon nur für dieses eine Spiel hat sich meine Reise gelohnt.»

Teamkollege Andrade hatte nach dem Spiel fast schon ehrfürchtige Worte für Forsberg: «Der Kerl ist unglaublich, der ist fast 50, aber alles, was er machte, sah so mühelos und elegant aus. Und seine Stocktechnik ist schlicht überragend. Was für ein Erlebnis für mich und unser Team.»

Derweil war «Turbo» Rüfenacht immer noch unermüdlich auf dem Eis unterwegs. Diesmal aber mit dem grossen Schaber als Eisputzer. Auf die Frage, warum er denn derart Gas gebe, antwortete der sympathische Eishockey-Profi lachend: «Ich kann nicht anders. Ich bin in Minnesota bei ähnlichen tiefen Temperaturen wie hier im Engadin mit Pondhockey gross geworden. Für mich ist das Spass pur.»

 

Kein Erbarmen 

Die Turnierorganisatoren hatten für die weit gereisten World Rink Hockeyaner nach der Klatsche gar kein Mitleid. Im letzten Gruppenspiel mussten Santiago und Co nämlich noch gegen Vorjahressieger «Bago» antreten. Mit 6:16 konnte «World Rink Hockey» die Niederlage noch in einem einigermassen erträglichen Rahmen halten. Trotzdem landeten sie nach den zwei ersten Spieltagen am Ende der Tabelle und mussten ihren Titel vom Vorjahr eben dann doch verteidigen. 

Voller Selbstvertrauen ging das Team von Santiago ins Spiel um den letzten Platz, die «Rote Laterne». Das Spiel wogte hin und her und war äusserst ausgeglichen. «World Rink Hockey» verpasste seinen ersten Sieg überhaupt nur um Haaresbreite. Mit einem knappen 8:9 mussten sie sich am Ende dem Team «Goaleslab» aus Samstagern geschlagen geben. Und «müssen» nächstes Jahr, so verlangen es die knallharten Regeln, wieder zur Titelverteidigung antreten. Dies würden sie natürlich gerne tun, versprach Team-Koch Romain. Noch sei aber nicht sicher, wer alles zur Titelverteidigung auf dem Eis stehen werde. 

 

Historisches verpasst

Kurze Zeit später verpasste auf Court 1 Hockey-Legende Forsberg Historisches. Er hätte der erste Spieler weltweit werden können, der Double-Triple-Winner und Pondhockey-Schweizermeister im Palmares gehabt hätte. Hat er aber nicht ganz geschafft. Obwohl der Altstar einige brillante Sololäufe aufs Eis zauberte, verlor sein Team im Halbfinal gegen die wirbligen Embracher vom Team «PHC Göteborg» mit 9:12. «Schade, natürlich hätten wir gerne den Titel geholt, aber das ist kein Beinbruch. Vielleicht versuche ich es nächstes Jahr noch einmal», sagte der grosse Schwede, keineswegs enttäuscht am Ende eines langen und sehr gelungenen Hockey-Wochenendes.

 

Text und Fotos: Dan Zaugg