Seit 2012 ehrt das Bundesamt für Kultur BAK mit den Schweizer Literaturpreisen jedes Jahr Kulturschaffende und würdigt ihre Werke. Die Preise und Auszeichnungen berücksichtigen alle vier Sprachregionen der Schweiz und die verschiedenen literarischen Gattungen.

Der «Schweizer Grand Prix Literatur» zeichnet das Gesamtwerk einer Autorin oder eines Autors aus. Alle zwei Jahre wird im Wechsel mit dem Spezialpreis «Vermittlung» der Spezialpreis «Übersetzung» vergeben. Zusätzlich zu diesen Auszeichnungen werden jährlich Preise für im vergangenen Jahr erschienene Einzelwerke vergeben.

Leta Semadeni erhält den Schweizer Grand Prix Literatur 2023

Leta Semadeni wurde 1944 in Scuol geboren und lebt seit 2005 in Lavin. Sie schreibt Lyrik, Kurzprosa, Romane und Kinderbücher und verfasst fast alle ihre Texte sowohl auf Rätoromanisch als auch auf Deutsch: Sie erforscht die Sprachbarrieren und spielt mit ihnen. Eine fabelhafte und poetische Tierwelt belebt ihr Schaffen. «Immer wieder schleicht ein Tier durch meine Texte»: ein Fuchs, eine Katze, ein Hund, Wildtiere im Wald und überall Vögel. Der Mensch scheint zuweilen mit dem Tier zu verschmelzen.

Leta Semadenis Werk ist von schroffer Schönheit, an der wir uns ebenso reiben wie die Protagonistinnen und Protagonisten ihrer Romane an der oftmals schmerzvollen Welt. Sie fordert uns dazu auf, gegenüber dieser Welt, die uns umgibt, wachsam und offen zu bleiben und dort zu sein, «wo die Pfote die Erde berührt».

Die Texte von Leta Semadeni wurden auf Französisch, Italienisch, Spanisch, Tschechisch, Englisch und Russisch übersetzt. Mit ihrem Werk überschreitet sie die Grenzen der Genres und erreicht ein grosses Publikum.

2011 erhielt sie den Schillerpreis für ihren Gedichtband «In mia vita da vuolp/In meinem Leben als Fuchs», 2016 den Schweizer Literaturpreis für den Roman «Tamangur» und 2020 den Josef Guggenmos-Preis für ihre Kinderlyrik. Ihr neustes Buch «Amur, grosser Fluss» erschien 2022 im Atlantis Verlag.

Im selben Jahr übergab sie ihr Archiv dem Schweizerischen Literaturarchiv in Bern (siehe EP/PL vom 24. September 2022)

Der Spezialpreis Vermittlung 2023 geht an das Projekt «Schulhausroman», welches  2005 durch den Gründer des Zürcher Literaturhauses Richard Reich und die Kulturvermittlerin Gerda Wurzenberger ins Leben gerufen wurde:

Beide Auszeichnungen sind mit je 40’000 Franken dotiert.

 

Schweizer Literaturpreise 2023

Die Eidgenössische Jury für Literatur hat zudem folgende zwischen September 2021 und Oktober 2022 erschienene Werke ausgezeichnet: Prisca Agustoni, Verso la ruggine, Interlinea - Jachen Andry, be cun rispli, editionmevinapuorger - Fanny Desarzens, Galel, Éditions Slatkine - Eugène, Lettre à mon dictateur, Éditions Slatkine - Lioba Happel, POMMFRITZ aus der Hölle, edition pudelundpinscher - Lika Nüssli, Starkes Ding, Edition Moderne - Anne-Sophie Subilia, L’Épouse, Éditions Zoé. Diese Preise sind mit je 25'000 Franken dotiert.

Jachen Andry, «be cun rispli», editionmevinapuorger

Jachen Andry wurde 1957 in Zürich geboren. Er studierte Romanistik an der Universität Zürich (Italienisch, Spanisch, Rätoromanisch). Er ist als freischaffender Verlagsmitarbeiter tätig. «be cun rispli» ist sein erster Gedichtband. Jachen Andry lebt mit seinem Ehemann zwischen Scuol und Barcelona.

Laudatio: «be cun rispli – nur mit Bleistift»: Mit Zurückhaltung und Diskretion, jedoch mit dem Gewicht und der Dichte des Reissbleis, des Grafits, notiert Jachen Andry seine Gedichte über zerbrechliche, vergängliche, verborgene, verhöhnte Identitäten. Sprachkonzentration, Feinsinnigkeit, Musikalität und Dringlichkeit zeichnen diese in konzise Verse gefassten Erinnerungen, Eindrücke und Reflexionen über Sein und Schein aus. Ein in zartrosa Leinen gebundenes und in leichtgrauer Farbe gedrucktes Herantasten an die Freiheit, jenseits von Konventionen und Konformität die eigenen Gedanken zu denken, das eigene Leben zu leben.

 

Die bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger des Schweizer Grand Prix Literatur in der Übersicht:

2023 Leta Semadeni - 2022 Reto Hänny - 2021 Frédéric Pajak - 2020 Sibylle Berg - 2019 Zsuzsanna Gahse - 2018 Anna Felder - 2017 Pascale Kramer - 2016 Alberto Nessi - 2015 Adolf Muschg - 2014 Paul Nizon et Philippe Jaccottet - 2013 Fabio Pusterla, Jean-Marc Lovay et Erica Pedretti.

Das Bundesamt für Kultur veröffentlicht die Publikation «Schweizer Literaturpreise 2023». Darin finden Sie Portraits der Preisträgerinnen und Preisträger sowie Auszüge aus den preisgekrönten Werken, die für diese Publikation in die anderen Landessprachen übersetzt wurden. ISBN 978-3-907394-90-8. Deutsch, Französisch, Italienisch, Rätoromanisch. Die Publikation wird im Mai 2023 herausgegeben und kann kostenfrei unter literatur@bak.admin.ch bestellt werden.

Die Eidgenössische Jury für Literatur setzt sich folgendermassen zusammen: Präsident: Thierry Raboud Mitglieder: Christa Baumberger, Geneviève Bridel, Matthias Lorenz, Arno Renken, Niccolò Scaffai, Elise Schmit, Rico Valär und Prisca Wirz Costantini.

Die Preisverleihung findet am Freitag, den 19. Mai 2023 um 18 Uhr im Stadttheater Solothurn, im Rahmen der Solothurner Literaturtage statt. (pd)

Foto: Mayk Wendt