Wie kann die Wasserkraft in Graubünden ausgebaut werden, und wo bestehen ideale Standorte für Windparks? Mit solchen Fragen beschäftigt sich der Kanton seit geraumer Zeit. Jetzt finden sich erste Antworten im öffentlich aufgelegten «Richtplan Energie».

Alleine um die in der Energiestrategie 2050 des Bundes vorgegebene Dekarbonisierung im Bereich Verkehr und Wärme umzusetzen, benötigt die Schweiz bis 28 Terrawattstunden (TWh/a) zusätzlichen Strom jährlich. «Zudem», so Regierungsrat Marcus Caduff, «erhöht der geplante Ausstieg aus der Kernenergie diesen Bedarf um weitere rund 23 TWh/a». Um diese Lücke zu schlie­ssen, müsse auch Graubünden seinen Beitrag leisten.

Dabei setzt der Kanton auf erneuerbare Energien. Ziel des «Richtplans Energie» sei, so Caduff, «geeignete Standorte für mögliche Energieproduktionsanlagen auf dem Kantonsgebiet zu definieren und auch, die räumlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um langfristig und nachhaltig einheimische erneuerbare Energie zu produzieren».

Medienorientierung in Chur: Von links: Jacques Feiner (ARE), Regierungsrat Marcus Caduff und Thomas Schmid (AEV).

 

Jede Form der Energiegewinnung habe letztlich ihren Preis, argumentierte Volkswirtschaftsdirektor Caduff und ergänzte: «Die Produktionsanlagen stehen irgendwo in der Natur, weshalb wir eine Interessensabwägung zwischen Schutz und Nutzen vorzu­nehmen haben.» Eine solche sei mit dem Richtplan auf technischer Ebene durchgeführt worden, «jetzt folgt mit der öffentlichen Vernehmlassung die politische und gesellschaftliche Abwägung». Das Amt für Raumentwicklung (ARE) und damit auch Raumplanungsbelange sind im Departement für Volkswirtschaft und Soziales unter Marcus Caduff angesiedelt.

Regierungsrat Marcus Caduff sagte am Mittwoch in Chur: «Jede Form der Energiegewinnung hat ihren Preis.»

 

Neu sind 97 Wasserkraftanlagen gelistet

Das eidgenössischen Energie- und auch das Raumplanungsgesetz überträgt die Evaluation geeigneter Gewässerstrecken für Wasser- respektive Standorte für Windkraft an die Kantone. Deshalb wurde in Graubünden schon vor vier Jahren begonnen, die Grundlagen zur Gewässernutzung zu erarbeiten. Diese zeigen, dass im Kanton rund 1000 Gewässerstrecken mit einer Gesamtlänge von 2300 Kilometern bestehen. Davon ist bereits ein Drittel genutzt.

Auf der Objektliste «Wasserkraftanla­gen» sind im Richtplanentwurf neu 97 anstatt bisher 15 Anlagen aufgelistet. Davon 31 bestehende Anlagen mit bis ins Jahr 2050 auslaufende Konzessionen, aber gesichertem Weiterbetrieb über das Konzessionsende hinaus, weitere 31 Anlagen mit Konzessionsende nach 2050 sowie 35 geplanten Wasserkraftprojekte. In letztere Gruppe fallen acht neue Stauraumerhöhungen oder auch fünf gänzlich neue Stauräume. Das Produktionspotenzial dieser 35 Anlagen wird auf 1600 GWh/a geschätzt, wobei bereits die Hälfte genügen würde, um das Ausbau­ziel zu erreichen. 

Windanlagen, auch in Südbünden

Ab Januar 2022 wurde auch die Grundlage «Eignungsgebiete Windenergie» erarbeitet. Hier lautet die Strategie, Kleinwindanlagen nur in Ausnahmefällen zuzulassen, dafür die «Windenergienutzung an geeigneten Standorten in Windparks zu konzentrieren». Im 117-seitigen Grundlagenpapier sind im Kantonsgebiet 53 sogenannte «Interessengebiete mit einem möglichst guten Verhältnis von Schutz- und Nutzungsinteressen» aufgelistet. Daraus wurden 35 Eignungsgebiete ermittelt und in die drei Kategorien A bis C priorisiert. Das Produktionspotenzial der A-Gebiete wird auf rund 780, jenes der B-Gebiete auf rund 210 GWh/a geschätzt. 

Um das kantonale Ausbauziel von 400 GWh/a bis 2050 zu erreichen, müsste aber aus praktischen Gründen wie beispielsweise bei Eigentums-, Erschlie­ssungs- oder Ausbaueinschrän­kun­gen weit mehr Windenergie zugebaut werden. Im Grundlagenbericht sind folgende Südbündner Eignungsgebiete aufgeführt: Salaas und Alp Bella auf Gemeindegebiet von Samnaun, Piz Champatsch in Scuol und Berninapass (alle Kategorie A), sowie Munt da Lü (B) und Minschuns (C) am Ofenpass wie auch der Flüelapass (C).

Weitere Informationen: www.are.gr.ch

Hier gehts direkt zur E-Vernehmlassung und der Möglichkeit zur Mitwirkung.

Autor und Fotos: Jon Duschletta