Der Plot dieses Theaterstücks ist schnell erzählt: Ludwig von Schwitters, einst Rektor des Elitegymnasiums Collegium Helveticum lebt allein und zurückgezogen in seiner Stadtwohnung. Die sonntägliche Trivial-Pursuit-Runde mit seinen Freunden und die Essenslieferungen aus dem Gasthof sorgen für etwas Abwechslung, aber mit seiner besserwisserischen und überheblichen Art hält von Schwitters – er legt grossen Wert auf seine ritterliche Herkunft – alle auf Distanz. Die wöchentlichen Treffen dieser angegrauten, teils schon etwas senilen, Runde ziehen sich dahin, bis zu dem Tag, an welchem nicht Jürgen, aber die junge und etwas freche Paula dem Hausherrn das Mittagessen bringt. Nicht das gewünschte Pariser Schnitzel, sondern ein Wiener Schnitzel, bringt ihm die neue Lieferantin. Diese erste Begegnung zwischen Ludwig von Schwitters, dem ehemaligen Schuldirektor, und der allein erziehenden Paula, die keinen Schulabschluss hat, verheisst nichts Gutes – zu verschieden scheinen diese Protagonisten zu sein.
Schrittweise Annäherung
Doch was anfangs schier unmöglich scheint, entwickelt sich im Verlauf der Geschichte in eine unerwartete Richtung. Paula, die unter Geldnot leidet, nimmt von Schwitters Angebot an, ihm wöchentlich seine Medikamente, inklusive Memantin gegen die Vergesslichkeit, zu besorgen, ihr Gegenpart, nimmt Paula unter seine Bildungsfittiche und unterweist sie im Lösen von Mathematikaufgaben, damit sie ihren Schulabschluss nachholen kann. Paula ist eine Art Tochterersatz für Ludwig, der seine leibliche Tochter seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hat, während Ludwig für Paula ein Art Vaterersatz wird – ihr eigener Vater hat kurz nach ihrer Geburt das Weite gesucht und von ihrer Mutter erfuhr Paula keine Förderung.
Der Rap schmiedet zusammen
Paulas unbekümmerte und lockere Art – ihr grosse Stärke ist das Rappen – wie auch ihr wachsender Bildungsehrgeiz – wirken sich auch auf die übrigen Teilnehmenden der sonntäglichen Trivial Pursuit-Runde aus: Bei den Vorbereitungen auf das Geburtstagsfest für Ludwig Schwitters werden sie durch Paula in die Kunst des Rappens eingeführt und schenken dem Geburtstagskind Ludwig einen Rap. Alle scheinen glücklich, doch die Feier endet, als alle das Fest verlassen haben, mit dem Zusammenbruch des Jubilaren – er hat vergeblich gehofft, dass seine Tochter Franziska zu seiner Fete kommt und auch vergessen, gewisse seiner Medikamente zu nehmen. Es ist Paula, die ihm das Leben rettet, in dem sie noch rechtzeitig die Ambulanz rufen kann. Nach einer Woche ist Ludwig Schwitters aus dem Spital entlassen. Als er nachhause kommt, erwartet ihn sehr zu seinem Erstaunen die Trivial-Pursuit-Runde. Diese feiert nicht nur seine Rückkehr, sondern auch den Prüfungsabschluss von Paula. Der ist mit der Mathematik-Note vier nicht so brilliant wie Ludwig sich das erhofft hat. Doch die bestandene Prüfung gibt Paula Mut, sich an die Matura zu wagen. Ludwig ist guter Dinge, schliesslich hat ihn seine Tochter endlich im Spital an seinem Krankenbett besucht. Und zu guter Letzt tanzt die muntere Runde eine Polonaise wie auch Ludwig und Elisabeth sich ihre Liebe eingestehen und das Tanzbein auf der Bühne schwingen.
Komödie vor ernstem Hintergrund
Stefan Vögels Komödie, bearbeitet von Regisseurin Selma Mahlknecht, ist kein Schwank. Dafür greift der Autor zu viele ernste Themen im Stück auf: allen voran die sich langsam einschleichende Demenz, personifiziert in der Figur des vergesslichen Franz Josef Lojewski (gespielt durch Arno Lazzarini). Des weiteren wird ein Blick auf zerrüttete Familienverhältnisse geworfen: Nicht nur Paulas Vater stahl sich aus seiner elterlichen Verantwortung, auch Ludwig verliess schon früh Frau und Tochter Franziska. Im Übrigen hat der Schuldirektor sein Elitegymnasium in den Ruin gewirtschaftet, auch diesen Blick hinter die Kulissen der bürgerlichen Scheinheiligkeit gewährt Autor Stefan Vögel dem Publikum. Auch die Dialoge, die sich während dem sonntäglichen Gesellschaftsspiele entspinnen, sind witzig und erheiternd. Zu den grossen Stärken von «In alter Frische», so wie die Komödie von Selma Mahlknecht inszeniert wird, gehören wohl aber die Tanz- und vor allem Rap-Szenen. Wer lokale Schauspielgrössen wie Arno Lazzarini oder Corina Ravo mal al Rapp-Tänzer erleben möchte, darf sich diese Aufführungen im St. Moritzer Hotel Laudinella nicht entgehen lassen.
Aufführungen: Donnerstag, 23., Freitag, 24. und Samstag, 25. November, jeweils um 20.15 Uhr. Derniere: Sonntag, 26. November, 15.00 Uhr. Aufführungesort: Laudinella-Festsaal
Text, Fotos und Video: Marie-Claire Jur
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