Vorweggenommen: Der Film, der mit seinen eindrücklichen Bildern und einem sorgfältig gewählten und sehr gut passendem Musikteppich das Publikum begeisterte, ist ein relativ seltenes Beispiel für eine Dokumentation, in der Anspruch und Resultat ziemlich perfekt übereinstimmen.
Der Film «Ma bella val» will die Schönheiten der Natur vermitteln, will die Biodiversität des Rosegtals hervorheben und somit das Gefühl der Eigenverantwortung eines jeden Einzelnen verstärken. Aber er fordert auch auf, den eigenen Entdeckergeist zu wecken, der mithilft, Realitäten zu erkennen und das konstruktive Suchen nach Lösungen anzuregen.
Diese Ziele sind mit gelungenen Schnitten, zwangsfrei gestalteten Gesprächen und beeindruckenden Aussagen in kurzweiligen Interviews eindrücklich gelungen. Dass dies nur mit O-Ton und sparsam angewendeter Untertitelung geschehen ist, ist besonders bemerkenswert. Dass das Romanische als sprachliches Transportmittel belassen wurde, unterstreicht, wie authentisch Begriffe wie Natur und Heimat dargestellt wurden.
Eines von elf Ramsar-Gebieten
Der Roseg-Gletscher und sein Gletschervorfeld sind eines der elf sogenannten Ramsar-Gebiete der Schweiz. Der Begriff, der auf den iranischen Gründungsort der Konvention zurückgeht, bezeichnet schützenswerte Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung. Obwohl die Schweiz bereits 1971 dieser Konvention beigetreten ist und der Roseg-Gletscher seit 2005 in diesem Inventar aufgeführt wird, ist diese Tatsache wahrscheinlich den wenigsten Einheimischen und Touristen hier im Engadin bekannt. Vielleicht könnte ein konsequenter Hinweis auf dieses Prädikat dazu dienen, das Gebiet achtsamer und mit offenerem Blick zu betrachten.
Bekannte Gesichter
Ein filmisch gelungener Schachzug, die Generationen untereinander zu verbinden, war die Besetzung der «Rollen» mit bekannten einheimischen Gesichtern. So sah und hörte man Ex-Skirennfahrer und Hotelier Dumeng Giovanoli, wie er mit seinem Enkel über die Vergangenheit, die Natur und – natürlich – den Skirennsport diskutiert. Felix Keller, der weithin anerkannte Glaziologe, erzählt von den Wanderungen mit seinen Kindern, denen er die Schönheit des Roseg-Tals näherbrachte. Und Mathis Roffler, erfahrener Alpinist und Bergführer, erklärt offen, welche Bedeutung für ihn die Berge und Täler des Berninagebietes haben.
Kurzfilm mit klarer Botschaft
Die Filme der Produktionsfirma Teenergy, die im waadtländischen Montreux beheimatet ist, hat es sich zum Ziel gemacht, Dokumentarfilme zu drehen, in denen besorgte junge Leute zu anderen jungen Leuten über Themen wie Zukunft, Natur und Biodiversität sprechen. Dass dieses Ziel im Film «Ma bella val» erreicht wurde, wird perfekt durch Anna Sidonia Marugg verkörpert. Die junge Forscherin aus Zuoz, die bereits mit ihrer Maturaarbeit über das Vorkommen von Mikroplastik im alpinen Raum Schlagzeilen machte, konnte bewirken, dass die Gletscher nunmehr mit mikroplastikfreiem Material abgedeckt werden. Wie in Bezug auf dieses Thema weiter erwähnt wurde, steht die Schweiz in intensivem Kontakt mit Forschenden aus Österreich und dem Gebiet Ladakh im Himalaya, einem Gebiet, das praktisch das gesamte Trinkwasser aus den rasch schmelzenden Gletschern bezieht.
Aktueller Bezug
Eine Kernaussage des 2022 gedrehten Films lautet, dass alles getan werden soll, um das Tal und das ganze Gebiet so zu erhalten, wie es im Film dargestellt wurde. Nun, der Bergsturz vom Piz Scerscen vor gut eineinhalb Monaten, der das Tal nachhaltig verändert hat, scheint diesbezüglich wie ein Weckruf zu wirken. Die Mitwirkenden im Film haben gezeigt, dass das Engagement und der Wille, sich für die Natur im Allgemeinen und für das Val Roseg im Speziellen einzusetzen, durch alle Generationen hindurch, vorhanden ist.
Jürg Keller
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