Wer sich heute auf Samnauns Strassen umhört, glaubt es kaum, doch auch in Samnaun wurde einst Romanisch gesprochen. Zugegebenermassen ist dies aber schon eine Weile her. Gemäss Arno Jäger, dem Leiter des Talmuseums Samnaun, stiessen die ersten Siedler ums Jahr 1000 nach Samnaun vor, vom Engadin herkommend und also romanischsprechend. Nicht nur die Siedler kamen von aussen, sondern auch die Reformation, im Jahre 1529. Bereits 1530 bekannten sich die ersten Samnauner zum reformierten Glauben und 1571 setzte die Gemeinde den ersten reformierten Pfarrer ein. Zur besten Zeit der Reformierten sei das Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten fast ausgeglichen gewesen, lässt sich nachlesen.
Unzufriedene Nachbaren
Allerdings gefiel den Österreichern als nächsten Nachbarn die Sache mit der Reformation ganz und gar nicht. Deshalb erteilte Erzherzog Leopold V. dem Oberst Baldiron den Auftrag, mit rund 8000 Mann die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Baldiron nahm seine Aufgabe ernst und fiel 1621 brandschatzend im Unterengadin ein, um ins Prättigau zu ziehen. Ein Jahr später dann dasselbe in Grün. Bis 1635 sei Samnaun dann unter österreichischer Besatzung gestanden, erklärt Jäger, zudem hätten zwei Pestwellen den Ort überrollt.
Durch diese Ereignisse holte die kleine übrig gebliebene Anzahl an heiratsfähigen Männern und Frauen aus verwandtschaftlichen und erschliessungstechnischen Gründen ihre Partner und Partnerinnen aus dem nahen Tirol. Dies führte dazu, dass das Romanische nach und nach ins Hintertreffen geriet und im 18. Jahrhundert schliesslich ganz ausgestorben ist.
Vereinzelt noch romanisch
Wobei «ganz» nicht ganz stimmt, denn auch auf den Samnauner Strassen findet man Restansätze aus dem Romanischen. So zum Beispiel die Orts- und Flurnamen wie Plan, in dem auch das Ortsmuseum steht, in dem es noch viel mehr über die Geschichte Samnauns zu erfahren gibt und dessen Leiter Arno Jäger eine Liste mit Samnauner Wörtern aus dem Romanischen bereithält, die auch heute noch geläufig sind.
Die Beziehung zum nahen Tirol wurde durch die Eingeheirateten aus den angrenzenden Orten im Tirol und der besseren Erschliessung allmählich stärker als zum Engadin. Denn nach Pfunds führte ein praktisch ganzjährig passierbarer Saumpfad, während das Engadin rund sieben Monate nicht erreichbar war. Also trieben die Samnauner vornehmlich mit den Tirolern Handel.
Dieser Artikel ist erstmals im Unterengadiner Gästemagazin «Allegra» erschienen. Autor: Jürg Wirth
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