Schwerpunktwoche: Zu Besuch bei unseren Nachbarn.
Dieses Jahr hat die Redaktion der EP/PL im Rahmen der Schwerpunktwoche einen Blick über die Grenzen geworfen: Nach Norden, Süden und Osten ging die Reise. Haben Ihnen die Themenauswahl, die Berichte und die Gastkommentare aus den Grenzgebeiten gefallen?
Vor gut zwei Wochen fand ein spezielles Konzert in Tschlin statt. Die Fränzlis da Tschlin haben zum musikalischen Wiedersehen mit den Tanzgeigern aus Wien eingeladen. Diese Freundschaft besteht seit bald 20 Jahren. Im Jahre 2003 nahmen die Fränzlis da Tschlin erstmals mit einer eigenen Bläser-Werkstatt in Tschlin am grenzüberschreitenden XONG-Festival teil. Während einer Woche fanden damals verschiedene Veranstaltungen im Dreiländereck Schweiz (Unterengadin und Val Müstair), Nordtirol und Vinschgau statt. Die Fränzlis aus Tschlin trafen sich seinerzeit erstmals mit den Tanzgeigern aus Wien, und die beiden Formationen verstanden sich musikalisch auf Anhieb. Das XONG-Festival gibt es seit 2010 nicht mehr, die Werkstatt mit den Fränzlis da Tschlin findet aber immer noch regelmässig im Sommer statt.
Spuren hinterlassen
«XONG hat viele Spuren vor Ort und im gesamten Alpenraum hinterlassen. Davon zeugen einige Festivals und viele Musikprojekte, die im XONG entstanden sind», sagt Konrad Messner, Initiant und Organisator des grenzüberschreitenden Festivals, auf die entsprechende Frage hin. In zwölf Jahren entwickelte sich das Festival stetig weiter, mit dem Ziel, jegliche Grenzen zu überwinden. Entstanden ist ein Kulturprojekt, welches die verschiedenen Regionen mit ihren verschiedenen Sprachen und Kulturen wenigstens für eine Woche vereint hat. Während einer Woche wurden schlussendlich über 60 verschiedene Veranstaltungen vom Morgenkonzert auf dem Tartscher Pichl bis hin zur Wirtshausmusik im Val Sinestra organisiert. Mit dem Schwanen-XONG im Jahre 2010 war dann Schluss. Woran ist das Festival schlussendlich gescheitert? «Am Ausmass der ehrenamtlichen Arbeit und am Geld», antwortet Messner. «Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig, es gab keine Planbarkeit», sagt er und ergänzt, «die Überzeugung über den Nutzen hat uns zwölf Jahre lang glauben lassen, dass irgendwann die politische Einsicht erfolgt, mit dem Ergebnis einer zu grossen privaten Verschuldung.»
«Kulturarbeit hat keine Priorität»
Für Messner lag das grösste Verdienst des Festivals darin, dass sich die Grenzbewohner untereinander begegnet sind, die sich bei unvergesslichen und belebenden Ereignissen in der jeweils anderen Region kennengelernt haben. Nachdem XONG verstummt war, waren die Grenzen plötzlich so hoch wie nie und die Barrieren unüberwindbar. «Der kulturellen Zusammenarbeit über die Grenzen wurde in den politischen Köpfen wenig Bedeutung beigemessen», so Konrad Messner, «kulturelles Engagement scheint nicht Priorität zu haben, schon gar nicht über die Grenzen.» Zudem seien alle Seiten zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Aber wie kann die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wieder aufgenommen werden? Für Messner ist die Antwort klar: «Wenn die Einsicht über den Nutzen wieder entsteht, egal, ob als private Initiative oder auf politischer Ebene.»
Für das grenzüberschreitende Kulturfestival im Dreiländereck hat sich auch Hermann Thom aus Susch engagiert. Der heutige Präsident der Uniun dals Grischs (UdG) war damals für die Pressearbeit in der Schweiz verantwortlich. «In dieser Zeit sind viele Freundschaften entstanden», erzählt Thom. Er vermisst den Austausch mit den Grenznachbarn. «Sehr gerne würde ich an solchen Veranstaltungen jenseits der Grenze wieder als Besucher teilnehmen.» Die Initiative und Organisation müssen diesmal aber andere übernehmen.
Text: Nicolo Bass
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