«Die Tatwaffe, die Karteikarten und die Folgen», so lautete die Überschrift der «Engadiner Post/Posta Ladina» am 20. April des letzten Jahres. Hintergrund für die Geschichte war das Buch «Keine Ostergrüsse mehr» von Lois Hechenblaikner, Andrea Kühbacher und Rolf Zollinger», welches im letzten Frühjahr erschienen ist. Im Buch wird anhand von 20 000 Karteikarten aufgezeigt, wie das Verhältnis zwischen Gastgeber und Gästen in den 1920er-- bis 1960er-Jahren in dem 1989 komplett abgebrannten Grand Hotel Waldhaus in Vulpera war. Das Buch hat vor allem hohe Wellen geworfen, weil auf einem Teil der von den Concierges und Rezeptionisten geführten Karteikarten antisemitische Äusserungen vermerkt sind. «Vollblüter, Achtung», heisst es da beispielsweise, «Jude, unhöfliches Benehmen» oder sogar «Stinkjude». Kommentatoren in verschiedenen europäischen Medien kamen zum Schluss, dass die Karteikartensammlung viel verrät über Antisemitismus in der Schweiz. Und auch für Mitherausgeberin Andrea Kühbacher war der Antisemitismus im Hotel Waldhaus mehr als ein Oberflächenphänomen. 

Schwerpunkt gesetzt

Die Redaktion der EP/PL war sich der Brisanz des Buches durchaus bewusst, als sie im April 2021 entschieden hat, dem Thema eine Schwerpunktzeitung über fünf Seiten zu widmen. Sie hat mit dem Tiroler Fotografen Lois Hechenblaikner über seinen Antrieb für das Buch gesprochen, Rolf Zollinger, den letzten Direktor des Hotels Waldhaus Vulpera und Retter der Karteikarten vor dem Brand besucht und mit einem anderen erfahrenen Hotelier das Thema Gästekarten diskutiert. Zu Wort im Themenschwerpunkt kommt aber auch der Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, und schliesslich ordnete ein Historiker in einer Gesamtbetrachtung die damalige Bedeutung des Hotels für die Region ein. 

Ende Jahr entschied sich die Redaktion, den Themenschwerpunkt als Beitrag für den Swiss Press Award in der Kategorie Local einzureichen. Mit Erfolg: Aus zahlreichen Einsendungen wurde der EP/PL-Beitrag zusammen mit zwei anderen Wettbewerbsteilnehmern nominiert und hat es somit unter die letzten Drei geschafft. Die Preisverleihung findet am 27. April in Bern statt, unter anderem in Anwesenheit von Bundesrat Guy Parmelin. Der Swiss Press Award ist der höchstdotierte nationale, viersprachige Medienpreis der Schweiz. Er wird seit 1986 von der Fondation Reinhardt von Graffenried vergeben. Ein Tessiner, fünf Journalisten aus der Romandie und sieben Deutschschweizer Teams sind für den diesjährigen nationalen Medienpreis Swiss Press Award nominiert. 

Die Gewinner erhalten je 15 000 Franken. Der 2. Preis ist mit 3000 Franken und der 3. mit 1000 Franken dotiert. Ausserdem werden der «Swiss Press Journalist of the Year» und der «Swiss Press Photographer of the Year» erkoren.

«Ein Zeichen der Wertschätzung»

«Nur schon die Nomination ist eine grosse Ehre für unsere Zeitung», sagt EP/PL-Chefredaktor Reto Stifel. Besonders freut ihn, dass es nicht ein einzelner Artikel unter die Nominierten geschafft hat, sondern die Arbeit eines ganzen Teams. «Diese Nomination ist ein Zeichen der Wertschätzung für die professionelle und engagierte Arbeit unserer Redaktion. Lokaljournalismus ist unverzichtbar und sehr wichtig für die Auseinandersetzung der Gesellschaft mit sich selber», ergänzt Verlegerin Martina Gammeter. Die Redaktion bearbeite Ausgabe für Ausgabe mit grossem Engagement Themen aus den unterschiedlichsten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. «Mit ihrer Berichterstattung schafft die Redaktion Raum für Reflexion über Alltägliches, aber auch über Bewegendes, auch über unsere Herkunft und Geschichte. Für dieses Arbeiten Wertschöpfung in Form dieser Nomination erfahren zu dürfen, ist sehr wertvoll und tut gut.» (ep)

 

Die nominierte Ausgabe finden Sie im Digitalarchiv der EP/PL: https://archiv.engadinerpost.ch/pdf/2021/046_2021_04_20.pdf