Zu Beginn meiner Engadiner Zeit war ich in verschiedenen Funktionen in der Berggastronomie tätig. Da die Arbeit auf dem Berg und allgemein das alpine Leben ein hohes Mass an Flexibilität verlangt – man denke an die Kleidung, deren multifunktionale Ansprüche ästhetischen Vorlieben weichen müssen – lehnte ich auch an Ostern die Aufgabe nicht ab, den Osterhasen zu spielen. Dazu musste ich in ein Hasenkostüm schlüpfen und an die Kinder Schoko-Eier verteilen. Meiner Osterhasenkollegin und mir flogen die Kinderherzen zu.
Im Laufe des Nachmittags nahm mein Einsatz gar christliche Züge an. Ich beschenkte auch jene mit Schoko-Eiern, die mir mit Misstrauen begegneten. In meinem Hasenkostüm atmete ich den Hauch christlicher Vergebung, während ich dem Gegenüber ein Lächeln abrang.
Monate später trat ich gerade aus der Haustüre, als mich ein Mädchen aus der Nachbarschaft mit grossen Augen ansah. Es raunte: «Gell, du warst der Osterhase.» Ich war etwas überrascht, erkannt worden zu sein und antwortete: «Ja, ich war der Osterhase. Aber verrate den anderen Kindern nichts davon.» Das Mädchen versprach, Stillschweigen zu bewahren und fragte nochmals mit ehrfürchtiger Stimme: «Aber gell, du bist wirklich der Osterhase?» Ich bestätigte ihr: «Ja, ich bin wirklich der Osterhase!»
Kolumne: Bettina Gugger
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