Der Aufschrei rund um die per Anfang 2023 angekündigte Erhöhung der Strompreise in der Schweizer Grundversorgung ist aktuell gross und flächendeckend. Dabei hat eine schon im Mai durchgeführte Umfrage des Branchendachverbandes der Schweizer Stromwirtschaft VSE unter seinen Mitgliedern genau diese Entwicklung vorausgesagt. Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE vereint über 400 Energieproduzenten, Netzbetreiber und angegliederte Unternehmen, welche zusammen über 90 Prozent des Schweizer Stroms produzieren.
Laut VSE setzt sich der Strompreis für grundversorgte Endkundinnen und Endkunden aus drei Komponenten zusammen: Praktisch zur Hälfte durch Netznutzungskosten, welche von der nationalen Übertragungsnetzbetreiberin Swissgrid erhoben werden, dann zu gut einem Drittel durch die eigentlichen Energie-Produktionskosten und zu rund 18 Prozent durch gesetzlich vorgeschriebene Abgaben.
Einer der Gründe für den teils massiven Strompreisanstieg für Endverbraucher ist laut dem VSE die angespannte Preissituation an den Grosshandelsmärkten. Diese fusst wiederum nicht zuletzt auf Faktoren wie den Auswirkungen des Ukrainekrieges oder einer tieferen Stromproduktion aufgrund geringer Zuflussmengen.
Südbünden unterschiedlich betroffen
Die VSE-Umfrage ergab damals eine zu erwartende Erhöhung der Strompreise um 20 und mehr Prozent. Oder, auf einen Fünf-Zimmer-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4500 Kilowattstunden gerechnet, mit einer finanziellen Mehrbelastung von jährlich gegen 200 Franken. Werte, die seit dem 31. August bestätigt und vielerorts auch übertroffen wurden. Bis zum Stichtag 31. August müssen alle rund 600 Schweizer Energieversorger der Eidgenössischen Elektrizitätskommission ElCom als staatliche Regulierungsbehörde die fürs kommende Jahr definierten Strompreise melden und diese auch öffentlich machen.
Letzteres haben bis auf die Engadiner Kraftwerke AG auch die regional tätigen Energieunternehmen Repower, das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich ewz oder St. Moritz Energie getan. Laut Repower, welche neben der Valposchiavo auch Teile des Engadins, des Prättigaus und der Surselva mit Strom versorgen, steigt der Stromtarif in der Grundversorgung um knapp 13 Prozent oder rund 140 Franken bei einem Verbrauch von 4500 kWh. Die Repower-Ökostromprodukte «Purepower» und «Solarpower» erhöhen sich um 18 respektive 15 Prozent. Repower begründet die Erhöhung unter anderem mit massiv gestiegenen Kosten für Ausgleichsenergie, welche von der Netzgesellschaft Swissgrid beschafft werden muss. Weil das ewz «über genügend eigene Wasser- und Windkraftwerke sowie PV-Anlagen zur Stromproduktion verfügt», bleiben die Tarife der Grundversorgung unverändert. Angehoben wird indes die «Preiskomponente Netznutzung», wie ewz in einer Mitteilung schreiben. Ewz beliefern die Stadt Zürich und Teile Graubündens mit Strom.
In St. Moritz und Celerina wird’s teuer
Strombezügerinnen in St. Moritz und Celerina müssen hingegen mit einer Erhöhung ihrer Stromrechnung um 50 bis 80 Prozent rechnen. St. Moritz Energie begründet diese markante Erhöhung mit dem Umstand, dass lediglich ein Sechstel des benötigten Stroms im Kraftwerk Islas selber produziert werden kann, «der Rest aber im Grosshandelsmarkt eingekauft werden muss». Was sich bisher dank den Vorteilen des freien Marktes gut bewährt habe, so St. Moritz Energie, «wirkt sich nun aufgrund der ausserordentlichen Situation am Markt nachteilig auf die Energiepreise aus». Je nach Kundengruppe und Verbrauchercharakteristik beträgt der Preisanstieg für einen Durchschnittshaushalt mit einem jährlichen Verbrauch von 5000 kWh rund 45 Franken im Monat.
Andererseits weist St. Moritz Energie, wie andere Stromunternehmen übrigens auch, auf den Umstand hin, dass sich die Vergütung für die Rücklieferung von Stromproduktion unabhängiger Produzenten – beispielsweise die Einspeisung von PV-Erträgen ins Netz – nach dem Marktwert der erzeugten Energie richtet. Heisst, Produzenten erhalten für ihren eingespeisten Strom ab dem 1. Januar 2023 bis 22 Rappen pro kWh und damit massiv mehr als bisher.
Bei den Engadiner Kraftwerken AG (EKW) ist die Sachlage insoweit anders, als dass sie, als Stromproduzentin für ihre Aktionäre, selbst keine gebundenen Kunden in der Grundversorgung hat. Trotzdem wurden in den letzten Tagen in Leserbriefen in der EP/PL, vor allem aber auf in den sozialen Medien Preiserhöhungen von bis 50 Prozent in Umlauf gebracht und heftig diskutiert. Die EP/PL hat dazu den stellvertretenden Direktor der EKW, Oliver Dürig, und auch den Präsidenten der Corporaziun Energie Engiadina (CEE), Victor Peer, befragt (siehe separaten Beitrag auf engadinerpost.ch). Auf Anfrage schreiben die EKW, dass der Preis für die Zusatzenergie um rund 35 bis 40 Prozent steigen wird.
Kampagne: nicht-verschwenden.ch
Just an dem Tag, an dem die Frist der Energieunternehmen zur Meldung der Stromtarife 2023 bei der ElCom spätestens eintreffen mussten, lancierte der Bundesrat eine Sparkampagne mit dem Titel: «Energie ist knapp. Verschwenden wir sie nicht.»
Mit freiwilligen Massnahmen jedes und jeder Einzelnen soll verhindert werden, dass die Schweiz in die befürchtete Strom-Mangellage während der Wintermonate fällt. Zusammen mit den über 40 Kampagnenpartnern aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und der öffentlichen Hand wurde gleich auch eine laufend erweiterbare «Energiespar-Alliance» gegründet, die Ende Oktober offiziell in Aktion tritt.
Auf der Internetseite der Regulierungsbehörde ElCom sind unter www.strompreis.elcom.admin.ch die Unterschiede der Schweizer Strompreise nach Regionen einseh- und vergleichbar. Details zur Energiesparkampagne gibts unter: www.nicht-verschwenden.ch
Autor: Jon Duschletta, Foto: Kraftwerk Islas, St. Moritz Energie
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