Wer genau hinschaut, entdeckt an der Blauflügeligen Ödlandschrecke nicht nur blau funkelnde Flügel, sondern auch eine wichtige Botschaft zur Bekämpfung der Klima- und Biodiversitätskrise.
Sie ist perfekt an die Farbe ihres Untergrundes angepasst: Die Blauflügelige Ödlandschrecke ist selbst auf kurze Distanz kaum zu entdecken. Das ändert sich abrupt, wenn man dem Tier zu nahe tritt. Dann wirft sich das rund zwei Zentimeter grosse Insekt in die Luft, entfaltet seine blau-schwarzen Flügel und schwirrt davon. Doch kaum leuchtet das überraschende Farbenspiel auf, ist es auch schon wieder vorbei. Das Tier landet und wird von der Landschaft buchstäblich verschluckt. Um zu überleben, braucht sie das richtige Verhältnis von Sonne und Schatten. Der Klimawandel ist für sie eine Chance, die Biodiversitätskrise aber eine Bedrohung.
Eine vielsagende Präsenz
«Das diesjährige Tier des Jahres ist voller Gegensätze», bestätigt Florin Rutschmann, Heuschreckenspezialist und Schutzgebietsbeauftragter bei Pro Natura Aargau. Wie der Name verrät, bevorzugt die Blauflügelige Ödlandschrecke karges Terrain. Sie besiedelt lückige Trockenwiesen, Kiesbänke mit spärlicher Vegetation in Auen oder leicht verwilderte Bahn- und Gewerbeareale. Solche Lebensräume findet sie in der Schweiz vor allem im Wallis und Tessin, aber auch zerstreut in der Nordschweiz, teilweise mitten in der Stadt. In Südbünden ist sie im Unterengadin, im Münstertal und im Puschlav anzutreffen. «Unter den Insekten gilt die Blauflügelige Ödlandschrecke als Zeigerart. Das heisst, wo sie lebt, ist die Biodiversität hoch und es gibt noch viele andere Arten», erklärt Rutschmann.
Vergängliche Naturparadiese
Die Zerstörung der Flusslandschaften sowie die Intensivierung der Landwirtschaft und Landnutzung in den letzten 100 Jahren haben jedoch zu einer akuten Biodiversitätskrise und dem Rückgang vieler Insektenarten geführt. Schweizweit sind heute 60 Prozent der Insekten und 40 Prozent der Heuschrecken bedroht. «Auch die Blauflügelige Ödlandschrecke ist in der Schweiz potenziell gefährdet. Aber der Klimawandel könnte das ändern», weiss der Heuschreckenspezialist. Die wärmeren Temperaturen begünstigen die Entstehung ihres Lebensraums. Oft handelt es sich aber um vergängliche Paradiese. Ohne natürliche Dynamik oder zielgerichtete Pflege verschwinden diese artenreichen Lebensräume wieder.
Rückgrat der Biodiversität
«Insekten sind das Rückgrat vieler natürlicher Kreisläufe», betont Rutschmann. «Sie sind Nahrung für viele andere Arten, bestäuben Pflanzen, bauen Pflanzenmaterial ab, räumen Kadaver weg und vieles mehr. Ihr Rückgang insgesamt und ihre punktuellen Populationszunahmen sollten uns gleichermassen alarmieren. Sie zeigen, dass die Klimakrise und die Biodiversitätskrise unsere natürlichen Lebensgrundlagen aus dem Gleichgewicht bringen.»
Damit Insekten wie die Blauflügelige Ödlandschrecke ihre Funktion im Ökosystem wahrnehmen können, müssen Klimakrise und Biodiversitätskrise gemeinsam gelöst werden. Pro Natura setzt sich deshalb mit konkreten Naturschutzprojekten für die Förderung der Biodiversität und auf dem politischen Parkett für eine naturverträgliche Energiewende ein.
(pd)
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