Es herrscht morgendliche Kühle. Auf dem Platz der Bergschule Avrona finden sich Betreuende, Lehrpersonen, Kinder und Jugendliche ein. Mit Rucksäcken beladen, in mehr oder auch weniger angebrachter Wanderausrüstung. Da und dort wird eine fehlende Jacke oder eine Sonnenmütze aus der Wohngruppe geholt. Vielleicht ist einer der Jugendlichen bereit, seine Sneakers doch noch gegen gutes Schuhwerk zu tauschen. Das wird sich erst in letzter Minute zeigen.
Drei Tage unterwegs
Die vier Schulklassen und ihre Begleitpersonen machen sich bereit für die Dreitageswanderung, mit der jährlich in das neue Schuljahr gestartet wird. Dieses Jahr steht die Wanderung vom Flüelapass über die Grialetsch- und Kesch-Hütte bis nach Bergün auf dem Programm. Die besonders Starken und Ehrgeizigen erklimmen am ersten Tag zusätzlich das Flüela-Schwarzhorn.
Es hat viel Überzeugungsarbeit gebraucht, um mit den Kindern und Jugendlichen wirklich losziehen zu können. Die Dreitagestour ist ein Teil der Erlebnispädagogik, die an der Bergschule Avrona umgesetzt wird. Nebst Bergtouren im Sommer werden im Winter auch Ski-, Snowboard- und Schneeschuhtouren durchgeführt; dies als Teil des Schulprogramms.
Die Wohngruppen gestalten zudem die Wochenenden unter starkem Einbezug der Natur und der nahen Umgebung von Avrona. «Die Kinder und Jugendlichen sollen in der Natur vielfältig angeregt werden. Geschicklichkeit mit den Händen und Füssen, Gleichgewicht, Ausdauer und Durchhaltewillen werden hier zum Beispiel ganz gezielt geübt», so Lorenz Koller, Sozialpädagoge in einer der drei Wohngruppen. Koller hat in seiner Ausbildung zum Sozialpädagogen das Thema Erlebnispädagogik in seiner Abschlussarbeit behandelt. Es gehe darum, die Kinder und Jugendlichen raus aus der Komfortzone in die sogenannte Wachstumszone zu bringen. Im Schuljahr 24/25 wurden an der Bergschule Avrona neu die «naturnahen Tage» eingeführt.
Zusammenhalt und Rückschläge
Am Mittag hat die Wandergruppe das Flüela-Schwarzhorn erreicht. Die ersten Blasen werden verarztet. Man hilft sich gegenseitig mit Wasser oder einem Mittagsbrot aus. Die Kinder und Jugendlichen kommen hier an ihre physischen, aber auch psychischen Grenzen. Trotz schmerzenden Füssen durchhalten und den Piz erreichen. «Durch reale, direkte Konsequenzen ist Diskrepanz zwischen Zielen und dem Erreichten erlebbar. Es kann erlernt werden, dass Rückschläge und das Nicht-Erreichen von Zielen normal ist. Und das wiederum festigt das Selbstvertrauen», erklärt Koller. Wichtig ist eine sorgfältige Reflexion des Erlebten mit den Kindern und Jugendlichen durch die Fachperson
Nach drei Tagen fährt die Gruppe müde, aber zufrieden nach Avrona zurück. Im Rucksack Erlebnisse und Grenzerfahrungen der Wanderungen und des Hüttenlebens. Gerade auch das soziale Miteinander auf kleinem, unbekanntem Raum wie in einer einfachen Hütte ist herausfordernd. Dank enger Betreuung lernen die Kinder und Jugendlichen, diese Herausforderung anzunehmen.
Zweiter Ausflug
Im September bricht die Gruppe erneut auf. Diesmal steht eine Tour mit Wildtierbeobachtung an. Und eine Übernachtung im Zelt. Die Temperaturen sinken in der Nacht auf nur knapp über null Grad. Eine neue Grenzerfahrung für die meisten der Teilnehmenden. Trotz gutem Material ist der Schlaf knapp in dieser Nacht. Die Kinder und Jugendlichen rücken zusammen oder lassen sich mit zusätzlichen Decken von den Betreuenden unterstützen. Es fällt ausnahmsweise niemandem schwer, am Morgen aufzustehen. Trotzdem sind alle guten Mutes und bereit für die Wanderung zum Gletscher, die an diesem Tag ansteht. Das Gletschertor ist imposant, die türkisfarbene Gletscherwand beeindruckend. Und zwei Jugendliche überwinden sich, in den eiskalten Gletscherbach zu tauchen.
Es ist nicht einfach, die Kinder und Jugendlichen für solche Ausflüge zu gewinnen. Viel Widerstand muss ausgehalten werden. Und plötzlich aber läuft es. Einmal unterwegs, gibt es so viel zu sehen und zu erleben, dass es leichter fällt, miteinander auch unter schwierigen Umständen unterwegs zu sein.
Eine Grenze zu überwinden kann hier sogar zur freudig angenommenen Herausforderung werden. Stolz strahlen danach die Gesichter der Kinder und Jugendlichen.
Medienmitteilung Bergschule Avrona
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